\brief[Carnap an Neurath, Prag, 10.~Mai 1935]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 10. Mai 1935}{Mai 1935}\labelcn{1935-05-10-Carnap-an-Neurath} \anrede{Lieber Neurath!} \haupttext{\cutcn{Besten Dank für Deine Briefe. Scholz\IN{\scholzheinrich} schreibt mir jetzt: ,,Wenn Sie Wert darauf legen, daß wir Münsteraner auf den Pariser Kongreß\II{\pariserkongress} kommen, so bitte ich Sie, dafür zu sorgen, daß außer den verabredeten persönlichen Einladungen an Dr. Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}, Dr. Becker\IN{\beckeralbrecht} und mich noch je eine offizielle Einladung an die Universität Münster\II{\muenster} und an die Philosophische und Naturwissensch\editor{aftliche} Fakultät der Universität erfolgt, womöglich mit der Begründung, daß Münster die einzige deutsche Hochschule ist, an der die Logistik nicht nur als ein philosophisches Unterrichtsfach, sondern als ein eigenes philosophisches Forschungsgebiet existiert. Wenn Sie diese beiden Einladungen ausschicken, dann ist mit der Wahrscheinlichkeit zu rechnen, daß die Philosophische Fakultät mich als Vertreter der Universität zu diesem Kongreß\II{\pariserkongress} delegiert, wie sie soeben unsern Orientalisten für den internationalen Orientalistenkongreß in Rom delegiert hat, von welchem gleichfalls zwei solcher Einladungen an Münster ergangen sind. Ich denke mir die Sache so, daß das öffentliche Einladungsformular genommen und durch die vorgeschlagenen Zeilen ergänzt wird. -- Damit Sie mich nicht mißverstehen, füge ich ausdrücklich hinzu, daß dies nur ein \uline{Vorschlag} ist für den Fall, daß Sie uns die Teilnahme auf jede mögliche Weise erleichtern wollen; denn als Vertreter der Universität kann ich immer noch etwas eher hoffen, für mich und meine Jungens die nötigsten Devisen zu erhalten.``\fnE{Der Brief von Heinrich Scholz ist nicht überliefert.} Was denkst Du dazu? Kannst Du mir bitte möglichst bald gedruckte Einladungen zugehen lassen? Mit der Unterzeichnung der Einladungen an die Münsterer durch \L{}\editor{ukasiewicz}\IN{\lukasiewicz} und mich ist Frank\IN{\frankphilipp} völlig einverstanden. Scholz\IN{\scholzheinrich} drängt ferner sehr auf eilige Erledigung. London hat Deine Einzahlung von 4/2/0 bestätigt. Das sind, zu 116 umgerechnet, 476 K\v{c}. Deiner Weisung gemäß habe ich mir davon 106 K\v{c} behalten, das macht mit den früheren 94 K\v{c} zusammen die 200 K\v{c}; den Rest von 370 K\v{c} habe ich an Frank\IN{\frankphilipp} überwiesen. Ich möchte dem hinzufügen, daß diese zweihundert aber ,,Darlehen ohne Rückzahlungsverpflichtung`` waren; sie stehen Dir also in jedem Bedarfsfall sehr gern wieder zur Verfügung. Bitte um die Adresse von L\'{e}vy-Bruhl\IN{\levybruhl}! Mit der Einladung von Boll\IN{\boll} zu einem Vortrag bin ich einverstanden. Bitte setze Dich mit Dr. J. H. Woodger\IN{\woodger} (Epsom Downes (Surrey), Tanhurst) wegen seines Biologievortrages in Verbindung. Er hat sich dazu bereit erklärt. \neueseite{}} Das Buch\IW{\saarniountersuchungen} von Saarnio\IN{\saarnio} habe ich angesehen; es ist nicht nur nicht metaphysikfrei\fnA{Hsl. Korrektur von \original{metaphysikvoll}.}, sondern auch im logischen Teil schwach. Die Gespräche in Münster waren ganz nett und anregend. Mit seiner Metaphysik rückte Sch\editor{olz}\IN{\scholzheinrich} nicht heraus. Sein Hauptverdienst ist, daß er junge Leute, wie Becker\IN{\beckeralbrecht} und Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}, anregt, ordentliche Dinge zu studieren und zu schreiben. Ein dauernder Verkehr mit ihm wäre wegen seiner erstaunlichen Naivität in logischen Dingen aber eine große Geduldsprobe. Und was ich Dir von Oppenh\editor{eim}\IN{\oppenheim} erzählen soll, weiß ich nicht recht. Er ist halt ein komischer Mann. Aber man muß doch froh sein, wenn ein reicher Mann sein Geld für Wissenschaft ausgibt -- er ermöglicht Hempel\IN{\hempel} doch ganz nette Arbeiten -- als für schlechtere Dinge. Sein ungeheures Pathos, wenn er von ganz gewöhnlichen Dingen spricht, und erst recht, wenn von Wissenschaft, ist ermüdend. Das Zusammensein und die Gespräche mit Hempels\IN{\hempelfrau}\IN{\hempel} waren gut und erfreulich wie immer.\fnE{Zum Aufenthalt in Brüssel siehe TB 22.4.--28.\,4.\,1935.} Wie schade, daß wir nicht auch zu Euch kommen konnten! Für uns wäre eine Abwertung des Guldens ja herrlich; da würde die Fahrt für uns billiger. Ich überlegte auch schon, ob wir den Nachkongreß aus Billigkeitsgründen nicht in Belgien machen sollten.\fnSE{Vgl. dazu unten, Brief Nr. \refcn{1935-09-30-Neurath-an-Carnap}, bzw. Anm. \ref*{1935-09-30-Lustin}.} Olga\IN{\neuratholga} müßte natürlich hinkommen. Mit herzlichen Grüßen } \grussformel{Dein\\Carnap}%\Apagebreak \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/811529}{ON 220 (Dsl. RC 029-09-56)}; Briefkopf: gedr. \original{Prof. Dr.~Rudolf Carnap\,/\,Prag XVII.\,/\,Pod Homolkou 146}, msl. \original{den 10.~Mai 1935}.}