Hans Reichenbach an Rudolf Carnap, 16. April 1935 April 1935

Lieber Carnap‚

besten Dank für Ihren Brief vom 8. 4. und die Karte vom 12. 4. Die beiden HefteBB von NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath und Ihnen habe ich gefunden und schicke sie gleichzeitig an GrellingPGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph.

Das ZimmermanscheP ManuskriptB will ich lesen und Ihnen dann schreiben.

Ihren BriefReferenznummer an Jonas CohnPCohn, Jonas, 1869–1947, dt.-brit. Philosoph finde ich in der Form gut.

Über PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper habe ich einen AufsatzB geschrieben, der jetzt bei MeinerIVerlag Meiner zum Satz ist. Sie bekommen ja die Korrektur. Ich würde ja PoppersPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper BuchBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 nicht so hart beurteilen, wenn es vor 20 Jahren geschrieben worden wäre. Aber nachdem was seitdem alles von uns über diese Dinge gearbeitet worden ist, scheint mir eine solch naive Darstellung der Probleme heute doch etwas zu sein, wogegen wir Stellung nehmen sollten. Es besteht für uns alle die Gefahr, daß wir die Arbeiten von Leuten, die uns der Richtung nach nahestehen, weniger streng beurteilen, als die Arbeiten unserer Gegner; davor müssen wir uns in acht nehmen. Zu schreiben, daß die Wissenschaft den Induktionsschluß nicht benötige, und zum Schluß einen metaphysischen Glauben an die Gleichförmigkeit der Welt zu postulieren, ist eine Naivität, die in unserem Kreise schärfer verboten sein sollte als bei anderen Leuten. Diese Naivität entspricht dem menschlichen Eindruck, den ich von PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper in Prag hatte. Schon dort hatte ich das Gefühl, daß PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper den von ihm behandelten Fragestellungen intellektuell und kritisch gar nicht gewachsen ist. Das entsprechende 🕮 scheint übrigens auch auf mathematischem Gebiet zu gelten, denn was PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper zur Wahrscheinlichkeitsrechnung und zur Kritik meiner Wahrscheinlichkeitslogik sagt, ist vollständiger Unsinn. Wenn das einer von den Kantianern oder Phänomenologen geschrieben hätte, würde man es auch ihm in Wien schwer verübelt haben.

Das Rezensions-ExemplarBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 von PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper steht Ihnen natürlich formell zu, nachdem mein AufsatzB wegen PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper formell nicht den Charakter einer Rezension hat. Es wäre mir aber angenehm, wenn ich es wenigstens noch einige Zeit hier behalten könnte, da ich vermute, daß PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper mir nach Erscheinen meines AufsatzesB schreiben wird und dabei vielleicht auf sein BuchBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 Bezug nehmen wird. Ein anderes Exemplar des BuchesBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 steht mir hier in Istanbul nicht zur Verfügung. Ich kann auch auf Ihren Vorschlag eines Austauschs mit PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper nicht eingehen, da die freien Exemplare von meinem BuchB schon vergeben sind.

Ihre Rezensionen können gerne in das Heft nach dem Kongreß-BerichtB hinein. Bitte schicken Sie sie gleich mit entsprechendem Vermerk an MeinerIVerlag Meiner.

Es wird Sie interessieren, daß ich vor einigen Wochen eine Einladung als Gast-Professor nach New YorkINew York University (NYU), New York NY erhielt, auf ein Jahr. Ich wäre sehr gern hingegangen, aber die hiesige Regierung hat mir die Beurlaubung verweigert, und da ich hier vor Ablauf eines weiteren Jahres nicht kündigen kann, konnte ich die Einladung nicht annehmen. Sie können sich denken, daß ich über die hiesige Regierung ziemlich verärgert bin und mich jetzt nach einer Gelegenheit umsehen werde, hier wegzukommen.

Herzliche Grüße, auch an HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel, wenn dieser Brief Sie erst in Brüssel erreichen sollte‚

Ihr
[Hans Reichenbach]

Brief, msl. Dsl., 2 Seiten, HR 013-41-20; Briefkopf: msl. 16. 4. 35  /  Herrn Prof. Dr. Rudolf Carnap  /  Prag, Pod Homolkou.


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