\brief{Rudolf Carnap an Moritz Schlick, 12. April 1935}{April 1935} %Prag, den 12. April 1935. \anrede{Lieber Schlick,} \haupttext{Besten Dank für Deine Karten und die Zusendung der beiden MSe\IW{} \IW{}. Ich habe sie mit lebhaftem Interesse gelesen, und bin natürlich in den Hauptzügen mit Deiner Auffassung einig. Ich freue mich besonders deshalb darüber, weil mir Deine Ausführungen in dem Aufsatz ,,Fundament d[er] E[erkenntnis]``\IW{\schlickfundament} teilweise sehr bedenklich erschienen. Ich glaube, daß das auch bei den meisten der uns Nahestehenden der Fall war. Deshalb möchte ich meinen, daß es doch besser wäre, wenn Du die Kritiken, die dagegen erschienen sind, ernst nähmest, obgleich die Formulierungen von Neurath\IN{\neurath} allerdings stellenweise sehr unklar sind; dagegen scheint mir die (leider zu kurze) Bemerkung von Hempel\IN{\hempel} klar und zutreffend. Ich freue mich zu sehen, daß Du in den beiden neuen Aufsätzen\IW{} \IW{} die in ,,Fund[ament der Erkenntnis]``\IW{\schlickfundament} vertretene Auffassung nicht mehr vertrittst. Es ist allerdings nicht deutlich zu sehen, ob Du sie fallen läßt (mir scheint sie kaum vereinbar mit den neuen Aufsätzen) oder nur stillschweigend beiseitestellst. Ich habe auf ,,Fund[ament der Erkenntnis]``\IW{\schlickfundament} weder brieflich noch öffentlich erwidert, weil mir verschiedene Punkte unklar erschienen; hier geben die neuen Aufsätze\IW{} \IW{} aber auch nicht die erforderliche Aufklärung. Ist es Dir recht, wenn ich das deutsche MS\IW{} auch Neurath\IN{\neurath} zuschicke? Da es vom Physikalismus handelt, ist er ja einer der Hauptbetroffenen, und den französ. Text\IW{} wird er nicht gut genug verstehen. Ich habe angefangen, einen Aufsatz\IC{} für Lewis\IN{\lewis} zu schreiben. Es wäre mir lieb, wenn ich dafür Dein engl. MS\IW{} noch länger behalten dürfte. Da es ja über dieselben Fragen spricht und in derselben Zeitschr[ift]\II{} erscheint, werde ich mich an verschied[enen] Stellen darauf beziehen können. Ich bin sehr froh, die erste Einladung von Amerika bekommen zu haben, wenns auch nur für 1 Vortrag ist. Die Harvard Univ.\II{\harvard} feiert Sept. 19\uline{36} ihr 300-jähr[iges] Jubiläum\II{\tercentenary}; dabei findet eine wiss[enschaftliche] Konferenz\II{\tercentenary} statt; dort soll ich vortragen und mitdiskutieren. Die Reisekosten werden reichlich bezahlt. So hoffe ich, auch mit andern Universitäten dann Fühlung aufnehmen zu können. Wir fahren jetzt ins Rheinland (zu meiner Schwester\IN{\agnes}), ich werde einen Tag Scholz\IN{\scholzheinrich}, Bachmann\IN{\bachmannfriedrich} u. Becker\IN{\beckeralbrecht} in Münster besuchen, und dann auch Hempel\IN{\hempel} in Brüssel. Ich freue mich, daß Du Dich in Deiner geliebten Adria-Sonne gut erholst und wünsche Dir noch recht schöne Wochen dort. Mit herzlichen Grüßen} \grussformel{Dein\\ R. Carnap} \briefanhang{\uline{Adr}. bis 19.\,Apr.: bei Frau Agnes Kaufmann\IN{\agnes}, Vollmerhausen, Bez. Köln. bis 23.\,Apr.: bei Dr. C. G. Hempel\IN{\hempel}, 26 rue St.-Georges, Ixelles-Bruxelles.} \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/871824}{MS 95/Carn-45 (Dsl. RC 102-70-15)}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Prag XVII. \,/\, Pod Homolkou 146}, msl. \original{Prag, den 12.\,April 1935}.}