\brief{Felix Kaufmann an Rudolf Carnap, 23. Jänner 1935}{Jänner 1935} %Dr. Felix Kaufmann %Wien, XIX., %\uline{Döblinger Hauptstrasse 90} %Wien, 23.Januar 1935. %Herrn %Professor %Dr. Rudolf Carnap, %\uline{\textit{Prag}} \anrede{Lieber Herr Carnap!} \haupttext{Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief und die Mühe, die Sie sich mit der Lektüre meines Ms.\IW{} gegeben haben. Ich glaube, daß mir Ihre Anmerkungen bei der neuerlichen Revision sehr gute Dienste leisten werden. Was unsere Hauptdifferenz betrifft, so will ich Ihnen darüber, sobald ich diese Revision in Angriff nehme, noch ausführlich schreiben, um, wenn schon keine Einstimmigkeit der Meinungen, so doch optimales gegenseitiges Verständnis zu erzielen. -- Trotzdem ich recht intensiv arbeite, verzögert sich der Abschluß immer wieder, da immer neue Fragen auftauchen, mit denen ich mich auseinanderzusetzen habe. -- Jetzt bin ich eben mitten drin in der Analyse der Idealtypen Max Webers\IN{\webermax}. Ich hätte sehr gerne einige Worte über Ihr Befinden gehört; so bleibe ich auf die guten Nachrichten angewiesen, die mir Herr Nagel\IN{\nagel} von demselben gegeben hat. Er ist übrigens vor einigen Tagen nach Italien abgereist; wir haben uns besonders gut vertragen. Im Schickkreis\II{\schlickzirkel} dürfte demnächst Herr Gödel\IN{\goedel} über Ihren Antinomienaufsatz\IC{\msantinomien} sprechen; ich bin sehr neugierig auf diesen Vortrag. -- Daß Ihnen Poppers\IN{\popper} Buch\IW{\popperldf} so gut gefallen hat, freut mich sehr. Ich glaube, Sie täten ein gutes Werk, wenn Sie ihm dies auch persönlich schrieben. Denn er hat gegen schwere Widerstände zu kämpfen und es \neueseite{} besteht nach einer so großen Anstrengung bei einem nervösen Menschen -- wie er es ist -- immer die Gefahr einer schweren Depression, wenn er nicht die Überzeugung gewinnt, daß wenigstens ein kleiner Kreis ihm geistig nahestehender Menschen seine Leistung gebührend schätzt. Poppers\IN{\popper} Adresse ist: Wien, XIII. Anton Langergasse \uline{No.46.} Samstag vor acht Tagen war er mit Herrn Nagel\IN{\nagel} bei mir und hat über seine Analysen zur Theorie der Quantenmechanik, die er derzeit fortsetzt, gesprochen. Obwohl ich ja leider sachlich zu inkompetent bin, um eine Beurteilung wagen zu können, hat doch die ganze Art seiner Argumentation sehr starken Eindruck auf mich und wie ich glaube, auch auf Herrn Nagel\IN{\nagel} gemacht. Bei uns zu Hause geht alles gut. Viele herzliche Grüße Ihnen und Ihrer Frau\IN{\ina} von uns beiden.} \grussformel{Ihr\\ Felix Kaufmann} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/870002}{RC 028-20-07 (Dsl. FK 008206-008207)}; Briefkopf: msl. \original{Dr. Felix Kaufmann \,/\, Wien, XIX. \,/\, Döblinger Hauptstr. 90 \,/\, Wien, 23.\,Januar 1934 \,/\, Herrn \,/\, Professor Dr. Rudolf Carnap \,/\, Prag}.}