Herzlichen Dank für Ihren lieben Brief und die Mühe, die Sie sich mit der Lektüre meines Ms.B gegeben haben. Ich glaube, daß mir Ihre Anmerkungen bei der neuerlichen Revision sehr gute Dienste leisten werden.
Was unsere Hauptdifferenz betrifft, so will ich Ihnen darüber, sobald ich diese Revision in Angriff nehme, noch ausführlich schreiben, um, wenn schon keine Einstimmigkeit der Meinungen, so doch optimales gegenseitiges Verständnis zu erzielen. – Trotzdem ich recht intensiv arbeite, verzögert sich der Abschluß immer wieder, da immer neue Fragen auftauchen, mit denen ich mich auseinanderzusetzen habe. – Jetzt bin ich eben mitten drin in der Analyse der Idealtypen Max WebersPWeber, Max, 1864–1920, dt. Soziologe.
Ich hätte sehr gerne einige Worte über Ihr Befinden gehört; so bleibe ich auf die guten Nachrichten angewiesen, die mir Herr NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel von demselben gegeben hat. Er ist übrigens vor einigen Tagen nach Italien abgereist; wir haben uns besonders gut vertragen.
Im SchickkreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis dürfte demnächst Herr GödelPGödel, Kurt, 1906–1978, öst.-am. Mathematiker über Ihren AntinomienaufsatzB1934@„Die Antinomien und die Unvollständigkeit der Mathematik“, Monatshefte für Mathematik 41 (1), 1934, 263-284 sprechen; ich bin sehr neugierig auf diesen Vortrag. –
Daß Ihnen PoppersPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper BuchBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 so gut gefallen hat, freut mich sehr. Ich glaube, Sie täten ein gutes Werk, wenn Sie ihm dies auch persönlich schrieben. Denn er hat gegen schwere Widerstände zu kämpfen und es 🕮 besteht nach einer so großen Anstrengung bei einem nervösen Menschen – wie er es ist – immer die Gefahr einer schweren Depression, wenn er nicht die Überzeugung gewinnt, daß wenigstens ein kleiner Kreis ihm geistig nahestehender Menschen seine Leistung gebührend schätzt. PoppersPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper Adresse ist: Wien, XIII. Anton Langergasse No.46. Samstag vor acht Tagen war er mit Herrn NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel bei mir und hat über seine Analysen zur Theorie der Quantenmechanik, die er derzeit fortsetzt, gesprochen. Obwohl ich ja leider sachlich zu inkompetent bin, um eine Beurteilung wagen zu können, hat doch die ganze Art seiner Argumentation sehr starken Eindruck auf mich und wie ich glaube, auch auf Herrn NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel gemacht.
Bei uns zu Hause geht alles gut.
Viele herzliche Grüße Ihnen und Ihrer FrauPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap von uns beiden.