Das BuchBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 von PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper habe ich in erster Lesung hinter mir. So zweifellos begabt er ist, so meine ich, sind viele seiner Formulierungen nicht fundiert genug, um dies Maß an Ironie und Kritik zu rechtfertigen. Daß er viele Dinge ungenau liest, über die er sich äußert, ist eine andere Sache. Am meisten berührt mich unerfreulich die merkwürdige Sonderstellung, die er der Psychologie gibt. Wenn man sie behavioristisch nimmt, ist ja „psychologistisch“ kein Schimpfwort mehr und, ob man das Behavior in einem Satz drin hat oder nicht, eine triviale Zweckmäßigkeitsfrage. Mich würde ungemein interessieren zu hören, was Du drüber denkst.
HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel hat in Brüssel sehr nett und wirklich eindringlich unsere Denkposition gegen SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick vor einem erfreulichen Kreise dargestellt (mit ErreraaEreraPErera =? Alfred Errera, 1886–1960, belg. Mathematiker, dem Mathematiker) bei OppenheimsPOppenheim, Gabrielle, 1892–1997, verh. mit Paul OppenheimPOppenheim, Paul, 1885–1977, dt.-am. Industrieller und Philosoph, verh. mit Gabrielle Oppenheim. Aber da er Rötel bekam, habe ich nur Knappes über London gehört, dafür schrieb mir Miss StebbingPStebbing, Susan, 1885–1943, brit. Philosophin ausführlich. Es scheint die Tatsache, daß ich ihr einen philosophischen Brief auf English schrieb, sie irgendwie angeregt zu haben. Persönlich soll sie sehr schweigsam sein. Während sie sehr nett schrieb, wie alles „puzzled“ war über dies und das. Und ganz zart deutet sie an, daß wir das Treiben ihres Kreises wohl für Metaphysik halten dürften. Jetzt muß ich mein Englisch aufzäumen und einen Ritt ins romantische Land unternehmen. Ich hätte der StebbingPStebbing, Susan, 1885–1943, brit. Philosophin gar nicht zugetraut, daß sie mich wesentlich ermutigt, indem sie schreibt: „I like your English …It is quite easy to understand, even when it is not idiomatic.“ Leider bin ich im Französischen so ganz elend dran und dort gibts kein „Schwimmen“. Schlechtes Französisch ist einfach ein Jammer. Aber ich muß es jetzt wohl lernen. Englisch geht zur Not. Bis ich so weit bin, den Brief zu beantworten, schreibe ich Dir Näheres. 🕮
Über die Schlick-SekteISchlick-Zirkel, Wiener KreisPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick dringen nur dunkle Berichte an mein Ohr. Der Schwur, über alles zu schweigen, was aus den heiligen Büchern vorgeflüstert wird, bindet eben alle – es sei denn, daß einer das HeiligstebHeilgste „zitiert“ mit Psalmnummer und Vers. Oh vanitas vanitatum.2„Eitelkeit der Eitelkeiten“. Ich erzählte Euch ja von meinem Freund mit dem kategorischen Imperativ, der mir erläuterte, warum er sittlich verpflichtet war, mit einer anderen Frau als seiner eigenen neue Beziehungen zu beginnen … worauf ich meinte, meine nichtkantianischen Freunde könnten das auch ohne kategorischen Imperativ. Weißt Du, erst sagen, es sei gleich, woher ein Gedanke komme, und dann auf die Prioritätenbörse gehn …‚3Gemeint ist einerseits das Vorwort in Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, andererseits die Plagiatsvorwürfe Wittgensteins gegen Carnap, vgl. Brief Nr. , Anm. . das treff ich auch ohne adeligen Sinn auf Grund meiner derb-weltlichen Gesamthaltung. Ich warte jetzt nur, wie die Publikationsfrage WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann-WittgensteinPWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. PhilosophBWaismann, Friedrich!1976@Logik, Sprache, Philosophie, Stuttgart, 1976 gelöst wird. Aber da die Welt ja auch sonst grauslich genug ist, kommts auf so ne Kleinigkeit mehr oder minder nicht an.
Grüß mir InenPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap. OlgaPNeurath, Olga, 1882–1937, geb. Hahn, auch Neuräthin und Peterl, öst. Philosophin und Mathematikerin, verh. mit Otto Neurath, Schwester von Hans Hahn und Louise Fraenkel-Hahn freute sich ungemein über den Brief. Es wäre nett, wenn der Kontakt belebt weiterliefe – bis das Gas kommt. Die Fabriken arbeiten mit Hochdruck …herzlichste Grüße Euch zwei