Rudolf Carnap an Kazimierz Ajdukiewicz, 25. Dezember 1934 Dezember 1934

Sehr geehrter Herr Kollege!

Haben Sie herzlichen Dank für die Zusendung Ihrer Arbeit über syntaktische KonnexitätB, die ich soeben als Weihnachtsvergnügen gelesen habe. Sie hat mich lebhaft interessiert. Ich finde Ihre Methode sehr gut, und bin mit Ihrer Auffassung im allgemeinen durchaus einverstanden. Ich möchte Ihnen ein soeben erschienenes BuchBQuine, Willard Van Orman!1934@A System of Logistic, Cambridge MA, 1934 empfehlen, das ich gerade gelesen habe, und das Ihre Ideen von S. 26. 27 zur Durchführung bringt. Es ist von einem mir persönlich bekannten, sehr tüchtigen jungen Logiker der Harvard-Universität, Dr. W. V. QuinePQuine, Willard Van Orman, 1908–2000, am. Philosoph, verh. mit Naomi Quine (1932–1947) und Marjorie Boynton Quine (1948–1998) (52 Garden Street, Cambridge Mass., USA), „A System of Logistic“BQuine, Willard Van Orman!1934@A System of Logistic, Cambridge MA, 1934, Harvard University PressIHarvard University Press 1934, London: Humphrey Milford. Wenn Sie ihm einen Sonderdruck Ihrer ArbeitB schicken könnten, würde er sicherlich sehr interessiert sein. Er führt einen Universalfunktor „\(U\)“ und einen analogen Existenzfunktor „\(\exists \)“ ein, ohne einen Alloperator zu verwenden. Als Grundzeichen hat er: Komma, Zirkumflex, und ein drittes Zeichen, mit dessen Hilfe er „Teilklasse“ ausdrücken kann. Da seine Sprache (in meiner Terminologie: ) extensional in bezug auf Prädikate ist, macht er keinen Unterschied zwischen Prädikaten (Funktionszeichen) und Klassenausdrücken. Anstatt „\(x \varepsilon \alpha \)“ schreibt er: „\(\alpha , x\)“. Er hat nur explizite Definitionen. Er definiert die Identität „\(x = y\)“ durch „\(\hat{\alpha } (a‚x)\) ist Teilklasse von \(\hat{\beta } (\beta , y)\)“. Dann def. er die Allklasse „\(V\)“ durch „\(\hat{x} (x=x)\)“, und dann Universalität „\(U\)“ als Einerklasse von „\(V\)“ (genauer: als die Klasse der Klassen, deren Teilklasse \(V\) ist). Dann kann er anstatt „für alle \(x\) gilt \(—\)“ schreiben: „\(U, \hat{x}(—)\)“. Ebenso bildet er alle andern Operatoren mit Hilfe des Zirkumflexoperators. Mir scheint, das ist gerade die Erfüllung Ihrer Forderung. Sein System ist auch sonst interessant; er hat nur Eine Variabelnart für Individuen, Sequenzen von solchen, Klassen, Relationen und Sätze. Mit Hilfe der Sequenzen kann er die Theorie der n-stelligen Prädikate (gleich, ob n = 1 oder größer) mit Einem Mal durchführen.

Zur Ihrem Aufsatz möchte ich noch einige unbedeutende Bemerkungen anfügen. Ist nicht die zweite Bedingung auf S. 11 unnötig (oder vielmehr gar nicht formulierbar), wenn entsprechend S. 13 Klammern usw. weggelassen, aber Indexe beigefügt werden? – Ihre Forderung S. 23 oben, daß im Operand stets eine mit der Operatorvariabeln gleiche Variable vorkommen soll, scheint mir nicht nötig; ich habe es für zweckmäßig gefunden, auch „leerlaufende“ Operatoren zuzulassen (vgl. „Syntax“, S. 24 unten) (ebenso Quine).

Den Empfang Ihrer Zahlung bestätige ich mit bestem Dank.

Inzwischen wird Ihnen ein Sonderdruck meines Aufsatzes über Antinomien zugegangen sein.

Mit besten Grüßen

Ihr
ksl.

Brief, msl. Dsl., 1 Seite, RC 028-01-02; Briefkopf: msl. Prag, den 25. Dez. 1934  /  Herrn Prof. K. Ajdukiewicz  /  Lwów.


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