Ich habe wirklich vor, einen Rundbericht über Skandinavien von mir zu geben. Aber ich habe scheußlich viel zu tun und unerwartet eine greuliche Geldschwierigkeit im Büro. Also verdoppelte Arbeitsintensität, um genug Geld hereinzukriegen. Oft bis 9 Uhr abends im Büro. Wenn Du mal von einem Mann hörst, der uns fördern kann, pack ihn beim Schlafittchen! Nicht vergessen. Ich habe heute, so gut es schon geht meiner Phantasie betreffend, demaden VorkonferenzberichtBBericht über die Prager Vorkonferenz in Heft 1 und dem Doppelheft 2/3 von Erkenntnis 5, 1935. Ausdruck zu verleihen gesucht. Siehe Beilage. Ich glaube, Du bedenkst die Situation nicht ganz. Es kann der Tag, der uns die breitere von uns organisierte Publikationsmöglichkeit nimmt, sehr nahe sein! Natürlich ist der BollPBoll, Marcel, 1886–1971, fr. Physiker und Philosoph-Brief unerhört.1Siehe oben, Brief Nr. , Anm. . Ja, diese Primadonnen! Wieso sprichst Du nur von den Schülerinnen der StebbingPStebbing, Susan, 1885–1943, brit. Philosophin? Ja, StebbingPStebbing, Susan, 1885–1943, brit. Philosophin macht auch in den Briefen guten Eindruck. Natürlich ist bei OgdenPOgden, Charles Kay, 1889–1957, brit. Linguist und Philosoph „Geschäft“ im Spiel – aber ich weiß nicht, ob mehr als bei uns. Wenn man nicht regierungsmäßig abgestempelt ist, gibts keine andere Einnahme als aus Geschäften. Wie soll man gute Honorare zahlen, wenn man kein Geld einnimmt. Wir haben jetzt mit OgdenPOgden, Charles Kay, 1889–1957, brit. Linguist und Philosoph zwei VerträgeBNeurath, Otto!1936@International Picture Language, London, 1936BNeurath, Otto!1937@Basic by Isotype, London, 1937. Es war nicht leicht, sich über den Geldpunkt zu einigen, obgleich ich eher den Eindruck hatte, daß er entgegenkommend war, da ihm ja an seinen Basicsachen liegt, und ich mache zwei BasicbücherBNeurath, Otto!1936@International Picture Language, London, 1936BNeurath, Otto!1937@Basic by Isotype, London, 1937 für ihn. Übrigens kann er ja überdies irgendwie knausern. So schlimm wie Deine ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift kann er nicht sein, die keine Honorare mehr zahlt. Daß MeinerPMeiner, Felix, 1883–1965, dt. Verleger für die 2 Hefte ein bescheidenes Honorar für Bearbeitung und Mitknechte zugestanden hat‚2Gemeint sind Heft 1 und Doppelheft 2/3 von Erkenntnis 1935, die den Bericht der Prager Vorkonferenz enthalten. wurde als unerhörte Ausnahme behandelt. Das heißt, es kann in der ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift eigentlich nur mitarbeiten, wer sonst ein Einkommen hat – Auffassung der besitzenden Klasse seit PlatoPPlato[n], 427–347 v. d. Z., gr. Philosoph, der ja sogar die Gehälter der Universitätsprofessoren ablehnte. Ein anständiger Mensch hat eben sonst Einnahmen zu haben, ein Gütchen, ein paar bessere Sklaven, eine Rente oder sonstwas, z. B. Subventionen für Liebesbeziehungen zu reiferen Philosophen …Also im Ernst. Ich weiß nicht, ob die StebbingPStebbing, Susan, 1885–1943, brit. Philosophin über OgdenPOgden, Charles Kay, 1889–1957, brit. Linguist und Philosoph in diesem Punkt nicht aus der Lebensluft einer Bürgerin urteilt, die nicht weiß, daß es Menschen gibt, die für ihre geistige Arbeit nicht bezahlt werden! Es sei denn, sie wird ständig verhökert. Im übrigen hoffe ich, ihre Gretchenfrisur und Masse einmal bewundern zu können. Ja, mit OgdenPOgden, Charles Kay, 1889–1957, brit. Linguist und Philosoph spricht es sich langspurig und skurril. Er hat doch einen richtigen Spleen. Von OgdenPOgden, Charles Kay, 1889–1957, brit. Linguist und Philosoph erwarte ich auch manche teilnehmende Förderung, freilich ist er sehr auf seine eigenen Gedankengänge eingestellt. Vielen Dank für den Bericht. Vergiß nicht, daß Du immerhin ein wenig freie Zeit hast, während ich mehr zer-lastet bin. Und gleichzeitig wissenschaftlich vorwärts kommen und Geld beschaffen und sich mit widerlichen Sachen herumärgern ist schlimm. Aber ich werde noch einige Berichtworte anfügen. Warum willst Du nicht den Titel des VortragsB1936@„Die Methode der logischen Analyse“, Actes du Huitième Congrès International de Philosophie à Prague. 2 – 7 septembre 1934, Prag, 1936, 142–145 in der VorkonferenzIVorkonferenz der internationalen Kongresse für Einheit der Wissenschaft, Prag, 31.VIII.-2.IX.1934 beibehalten?1Der Titel von Carnaps Vortrag bei der Vorkonferenz lautete „Gegenstand unserer Forschung – Wissenschaftslogik“, publiziert als Carnap, „Formalwissenschaft und Realwissenschaft“. Die Gelegenheit, in der ScientiaIScientia, Zeitschrift wieder einmal über uns zu berichten, solltest Du, wenn irgend möglich, so verwenden, daß Du an die Artikel irgendwie anknüpfst, die FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef FrankBFrank, Philipp!„Der Charakter der heutigen physikalischen Theorien“ in Scientia, ich glaube auch SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy SchlickBSchlick, Moritz!„Erkenntnistheorie und moderne Physik“ in Scientia, HahnPHahn, Hans, 1879–1934, öst. Mathematiker, Bruder von Olga Neurath, verh. mit Eleonore Hahn und ichBNeurath, Otto!„Physikalismus“ in Scientia dort publizierten.3In Scientia erschien 1936 Carnap, „Existe-t-il des prémisses de la science qui soient incontrôlables?“. Von Hahn ist dort keine Arbeit erscheinen, ab 1929 dort zu finden: Schlick, „Erkenntnistheorie und moderne Physik“; Frank, „Der Charakter der heutigen physikalischen Theorien“; Neurath, „Physikalismus“.2Von Hahn ist dort keine Arbeit erscheinen, ab 1929 dort zu finden: Schlick, „Erkenntnistheorie und moderne Physik“; Frank, „Der Charakter der heutigen physikalischen Theorien“; Neurath, „Physikalismus“. Die ScientiaIScientia, Zeitschrift ist eine so uneinheitliche Sache und man soll, wenn es irgend geht, als geschlossener Körper auftreten. PragIVorkonferenz der internationalen Kongresse für Einheit der Wissenschaft, Prag, 31.VIII.-2.IX.1934IInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934 hat in dieser Richtung uns ungeheuer genützt. Und da Du 🕮{}diese verdienstliche Sache dort gegenüber RádlPRadl@Rádl, Emanuel, 1873–1942, tschech. Biologe und Philosoph durchgesetzt hast‚4Zu Carnaps Einfluss auf die Programmgestaltung des 8. Internationalen Kongresses für Philosophie siehe oben, Brief Nr. und . wäre es wohl denkbar, daß Du das in der ScientiaIScientia, Zeitschrift fortsetzen könntest. Also erst Kopenhagen. 5 Vorträge.55 Vorträge ??? Bemerkenswert der Psychologe RubinPRubin, Edgar, 1886–1951, dän. Psychologe– da er sich für optische Probleme interessiert, liegt ihm auch unsere Bildpädagogik sehr – er schreibt gerade eine prinzipielle Reflexion über Geschmack und Geruch und über das Problem, wie man „Sinne“ gegeneinander „abgrenzt“. Es liegt in absolut empiristischer Richtung, wenn er auch mancherlei metaphysische Wendungen ausscheiden muß, um zum vollen Behagen zu gelangen. Ich redete ihm zu, da er uns liebt, mir den Artikel zu senden, ich würde ihn Dir dann zugehen lassen, mit der Bitte, ihn in der ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift zu bringen. Er wäre auch bereit, eventuell in Paris zu sprechen. Da unser Lager in Psychologen schlecht assortiert ist, würde ich das sehr begrüßen. JørgensenPJörgensen, Jörgen@Jørgensen, Jørgen, 1894–1969, dän. Philosoph kennst Du ja. Bemerkenswert die energische kritische, atheistische, sexualreformerische usw. Note in seinem Wirken. Ich glaube, er treibts von uns allen im einzelnen am schlimmsten als Kritiker unseres Zeitalters. Im übrigen aber ist er skeptisch gegenüber der materialistischen Geschichtsauffassung und der Prognose. Er meint, daß er sich darnach richte, für wie töricht er etwas halte – dann bekämpfe er es, wenn er es vermöge. Übrigens auch ein Standpunkt …Sehr nett. Ditto Frau und Kind. BohrPBohr, Niels, 1885–1962, dän. Physiker. Eigenartig. Intensiver Mensch. Kam zu zwei Vorträgen und diskutierte mit vollem Eifer. Und zwar Rede und Gegenrede. Es interessierte alle sehr – außerdem diskutierte man des Nachts weiter. Grundzug: Er möchte nicht als Metaphysiker eingeschätzt werden. Und er kann, wenn er vorsichtig ist, sich relativ metaphysikfrei ausdrücken. Aber offensichtlich liegt in der Auswahl der Probleme, soweit die Frage des Lebens usw. erörtert wird, und derbdie Betonung der Unbestimmtheit eine Tendenz. Überdies sind die gedruckten Ausführungen voll derber Metaphysik. Aber er hat gewisse Grundeinstellungen, die sich mit meinen berühren, z. B. daß man nicht alles gleichzeitig wissenschaftlich aufhellen könne, sondern, daß die einzelnen wissenschaftlich-logischen Aktionen sozusagen einen Preis zahlen müssen. Eine „Kompensations“-Vorstellung, die jetzt natürlich bei ihm tendiert, sich mit der Unschärferelation zu verbinden. Offenbar bemüht, mit uns in Einklang zu kommen. Aber da sein Zirkel ihn in seiner etwas unbestimmten Art sich zu äußern bestärkt, müßte man ihn lang bearbeiten können, wozu er sich bereit finden würde. Lund. TegenPTegen, Einar, 1884–1965, schwed. Philosoph und Soziologe. Kennst Du ja, er und andere sind knapp daran, glaube ich, sich zu uns hinzubewegen, wie überhaupt der Einfluß von Upsala her, der ja auch bei Alf RossPRoss, Alf, 1899–1979, dän. Philosoph zu merken ist (BesprechungBNeurath, Otto!Rezension „A. Ross, Kritik der sogenannten praktischen Erkenntnis“ folgt bald)‚ unserem begegnet. Göteborg. JacobssoncJacobsonPJacobsson, Malte Ferdinand, 1885-1966, schwed. Philosoph– jetzt Gouverneur geworden, mit Zimmer für den König in seiner Wohnung – und PetzällPPetzäll, Åke, 1901–1957, schwed. Philosoph natürlich immer bemüht, mit uns in Kontakt zu sein, da ihnen ja vor der Originalverpackung, die den Titel Metaphysik trägt, graust. Aber es CassirertPCassirer, Ernst, 1874–1945, dt.-am. Philosoph natürlich milde in den Gängen und Gestellen. Es gab angeregte Erörterung nach dem Vortrag. Jedenfalls ein Land, wo man uns kennt und eine nette Schizophrenin in munterer Unbefangenheit über FregePFrege, Gottlob, 1848–1925, dt. Mathematiker und Philosoph mühelos sprach und uralte logische Arbeiten von mir zitierte, um zu erfahren, wie ich mich jetzt zur symbolischen Gleichheit und Definitionsgleichheit stelle usw.6Vgl. Neurath, „Definitionsgleichheit und symbolische Gleichheit“. Und dabei haben sie an der Göteborger UniversitätIUniversität Göteborg nicht mal eine naturwissenschaftlich-mathematische Abteilung und müssen sich mit Technikern als Aushilfe begnügen. Oslo. Studentenverein. Keine Diskussion. Aufenthalt sehr interessant und schön. Wikingerschiffe in natura gesehn. Und eine ganze Partei, die mal in der III. Internationale war. Philosophisch scheint man dort uns eher freundlich gesinnt, aber mehr philosophiearm zu leben. In Eile und unter Druck, viele Grüße von Haus zu Haus.