Otto Neurath an Rudolf Carnap, 8. November 1934 November 1934

Lieber Carnap!

Sei nicht böse. Ich muß Dich drängen. Das erste Heft Vorkonferenz soll bald herauskommen.

Ich benötige von Dir:

  1. Dein ManuskriptB1934@„Formalwissenschaft und Realwissenschaft“, Erkenntnis 5, 1935, 30-37, das ungefähr entspricht dem Vortrag, den Du gehalten hast.1Carnaps Vortrag hatte den Titel „Gegenstand unserer Forschung – Wissenschaftslogik“ (vgl. Erkenntnis 5, 1935, S. 1), publiziert als „Formalwissenschaft und Realwissenschaft“. Du kannst eine Mischung der beiden VorträgeB1936@„Die Methode der logischen Analyse“, Actes du Huitième Congrès International de Philosophie à Prague. 2 – 7 septembre 1934, Prag, 1936, 142–145 bringen‚2Vgl. Carnaps publizierten Vortrag beim Internationalen Kongreß „Die Methode der logischen Analyse“. wenn Du das vorziehst. Vergiß nicht die Zeichnung!!!3Carnap, „Formalwissenschaft und Realwissenschaft“, S. 33. So 6 Seiten oder sogar mehr ist erwünscht.

  2. Ich benötige weiter Deine weisen Worte, als Einleitung zum MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, bis 1951 verh. mit Trude Morris, danach mit Ellen Ruth Morris-VortragBMorris, Charles W.!„Some Aspects of Recent American Philosophy“. Es genügt, wenn Du sie neu dichtest. Sinn war der, daß man nun gegeneinander die verschiedenen Formulierungen abstimmen muß. Daß gewisse Termini uns fremd seien, aber nicht so böse gemeint usw. Die Verdeutschung kannst Du etwas gekürzt anschließen. Da wir sie haben. Umso besser. Dann folgt der englische TextBMorris, Charles W.!„Some Aspects of Recent American Philosophy“, den ich von MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, bis 1951 verh. mit Trude Morris, danach mit Ellen Ruth Morris kriege.4Morris, „Some Aspects of Recent American Philosophy“; eine Einleitung Carnaps zu diesem Text ist nicht erschienen, eine deutsche Inhaltsangabe wurde letztlich von Hempel verfasst, vgl. unten, Brief Nr. . Alles zusammen vielleicht 1 1/2 bis 2 Seiten oder mehr.

  3. Diskussionsbemerkung zur Induktion. Du weißt, es wird nicht die reale Diskussion gebracht, sondern etwas, das ungefähr die Standpunkte wiedergibt. Wichtig, daß gegenüber der ReichenbachschenPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach Auffassung die Gegenauffassung vorliegt. Du hast anregend dargelegt, wie man unterscheiden muß die generalisierende Methode, die zur Not systematisiert werden kann unter gewissen Kautelen, und die allgemeine Prognostik, die – was ich betonte –nicht so systematisiert werden kann. Wenn Du in Deiner Formulierung auf meine Ausführungen bezug nehmen könntest, wäre es nett, damit die Komposition reizvoller wird.5Vgl. im Konferenzbericht den Abschnitt „Zu Otto Neurath ‚Einheit der Wissenschaft als Aufgabe‘ und Hans Reichenbach ‚Wahrscheinlichkeitslogik“‘ (Erkenntnis 5, 1935, S. 168–178; darin u. a. Neurath, „Zur Induktionsfrage“); die hier angesprochenen Diskussionsbemerkungen Carnaps wurden letztlich nicht publiziert, vgl. dazu unten, Brief Nr. . Es genügt, wenn Du eine halbe Seite oder eine Seite produzierst.

  4. Deine sonstigen Diskussionsbemerkungen, auch zur A-Gruppe, wären natürlich 🕮 erwünscht.6Im Konferenzbericht sind keine derartigen Diskussionsbemerkungen publiziert, in den Akten des Kongresses (Actes du Huitième Congrès International de Philosophie) sind einige Diskussionsbemerkungen Carnaps publiziert (Carnap, „[Diskussionsbemerkungen]“); mit A-Gruppe ist die Sektion „L’importance de l’analyse logique pour la connaissance“ gemeint.

    ALS ERGÄNZUNGEN STELLEN UNS EINZELNE VORTRAGENDE UND DISKUSSIONSREDNER BEITRÄGE ZUR VERFÜGUNG, DIE SICH AN IHRE AUSFÜHRUNGEN IN DER VORKONFERENZ UND IM KONGRESS ANLEHNEN.7Vgl. die Vorbemerkungen zum Konferenzbericht, Erkenntnis 5, 1935, S. 2.

    Unverbindlicher, man kann schon nicht.

Nicht so eilig, aber auch bald zu senden wäre:

Beitrag zur Bibliographie. Du hast mir meinen Entwurf zu einem Rundschreiben, daß nach London ging, noch nicht zurückgeschickt.8Siehe oben, Brief Nr. , Anm. . Also bitte ich Dich um folgendes:

Es soll ein uns freundlicher Leser im Auslande, der uns nicht näher kennt, sich orientieren können, was wir so für Leute sind und was er ansehn soll. Auch eventuell historisch wichtige Arbeiten.

Wenn Du 10 bis 12 Sachen mit kurzer Inhaltsangabe produzierst, wirds gerade recht sein. JørgensenPJörgensen, Jörgen@Jørgensen, Jørgen, 1894–1969, dän. Philosoph hat etwa 8 Sachen ausgesucht aus seinen Veröffentlichungen und er hatte für alles einen guten Grund. Ich meine, engl[ische] und franz[ösische] Übersetzungen sind zu erwähnen. Mehr als 2 Schreibmaschinenseiten dieses vorliegenden Typus sollten es wohl nicht sein.

Ich bin in Eile, weil außer SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick, JørgensenPJörgensen, Jörgen@Jørgensen, Jørgen, 1894–1969, dän. Philosoph und NagelPNagel, Ernest, 1901–1985, am. Philosoph, verh. mit Edith Nagel alle gemahnt werden müssen. SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick sandte Inhaltsangabe seines A-Gruppenvortrags und seine Dichtung über die Diskussionsrede ad JordanPJordan, Pascual, 1902–1980, dt. PhysikerBSchlick, Moritz!1936@„Über den Begriff der Ganzheit“, Actes du Huitième Congrès International de Philosophie à Prague. 2 – 7 septembre 1934, Prag, 1936, 85-99.9Schlick, „Über den Begriff der Ganzheit“ sowie „Ergänzende Bemerkungen über P. Jordans Versuch einer quantentheoretischen Deutung der Lebenserscheinungen“.

HeurteursPHeurteur, Richard, Drucker im Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum in Wien Schicksal bedrückt mich sehr. Habe noch keine Nachricht aus Wien. Ich grüße Euch beide bestens und warte auf den Rundbrief über England.

Ich werde Dir bald über die Diskussion mit Niels BohrPBohr, Niels, 1885–1962, dän. Physiker berichten.

Dein
ON

Brief, msl., 2 Seiten, RC 029-10-16 (Dsl. ON 219); Briefkopf: gedr. Munda"-neum Institute The Hague mit näheren Angaben; msl. Herrn Prof. Rudolf Carnap\,/\,Prag und 8. Nov. 1934.


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