\brief{Otto Neurath an Louis Rougier, Kopie an Rudolf Carnap, 22. August 1934}{August 1934}{1934-08-22-Neurath-an-Rougier} RC 029-10-31; Typoskript Herrn Prof. L. Rougier Venedig Hotel Danieli 22.VIII.34 Lieber Herr Rougier! Herzlichsten Dank für die freundschaftlichen Worte, die Sie mir anläßlich des Todes von Hahn geschrieben haben. Wir treffen uns also um 9 Uhr Abends. Mir paßt diese Zeit sehr gut, weil mein Zug um 8 Uhr 45 Abends in Prag am 30. ankommt. Ich möchte nur meinen, daß wir vielleicht den Ort der Zusammenkunft Frank zu wählen überlassen. Er wohnt im Hotel, um vieles Treppensteigen zu sparen, vielleicht ists ihm lieber, daß wir in seinem Hotel ihn aufsuchen. Aber jedenfalls 9 Uhr Abends, 30 Aug. Ich meine, wir müssen am 1. Sept. vor dem Plenum der Vorkonferenz über Termin, Themen usw. des Pariser Kongresses berichten. Aber die Details der Organisation, der Mitglieder des größeren Gremiums usw. können wir wohl auch später noch besprechen, vielleicht sogar zusammen mit Mitgliedern des intern. Phil. Kongresses, die hiefür in Frage kommen. Soll man nicht vielleicht bald Morris und andere beiziehen? Aber jedenfalls 30. Abends kleines Komitee. Ich nehme an, daß wir die Besprechung am 31. fortsetzen. Mit den von Ihnen angeregten Themen bin ich völlig einverstanden, ich möchte nur zu bedenken geben, ob es gut ist zu viele Sondergruppen zu bilden. Ich würde meinen, daß wir diese Fragen unter Abteilung II behandeln können, eventuell auch unter IV, soweit es sich darum handelt zu besprechen, welche Bewegungen es sind, die als Träger der Neoscholastik erscheinen. Die Metalogik und Metamathematik usw. kann man unter ``Logische Syntax`` in Verbindung mit ``Wissenschaftslogik`` behandeln. Ich habe nur eine gewisse Scheu die logisch-mathematischen Erörterungen zu sehr zu isolieren. Aber ich würde keine prinzipielle Einwendung erheben. Denn auch die Abtrennung hat etwas für sich. Das wäre dann eine Gruppe V. Die jetzige Einteilung, die sich an unsere Vorbesprechungen und an die Erfahrungen anschloß, die wir jetzt machen konnten, bezweckt: 1. Die gegenwärtige Lage der Einheitlichkeit, nebst der Geschichte, die dies ideengeschichtlich zeigt. Also Positivismus usw. Die verschiedenen Bestrebungen in Engl. Polen usw. soweit sie diesem Zusammenfassen dienen. Hieher auch ``Physikalismus`` usw. 2. Alles was Logische Syntax und Wissenschaftslogik bringen, wobei ich die Darstellung der Mathematik nicht abtrennen muß von jener der Physik. Gerade Carnaps neuestes Buch zeigt, wie man mathematische Sätze mit physikalischen Sätzen ``mengen`` kann. Und ich glaube, daß wir programmatisch der ``Einheit der Wissenschaft`` dienen, wenn wir keineTrennung vornehmen, ohne daß dies irgendwie die Vortragstitel beeinflußt. Es ist mehr programmatisch gemeint, sozusagen in Hinblick auf die ``Architektur`` des Gesamtkongresses, dessen Veröffentlichung doch mehr sein soll, als eine Aneinanderreihung von Referaten und Diskussion. Hier kann man die Neoscholastik erörtern, wenn man auch andere Bewegung erörtert, die uns unmittelbar berühren, z.B. gewisse vitalistische Bemühungen usw. 3. Wahrscheinlichkeit, Statistik, auch Induktion usw. Das scheint mir wohl einer Abtrennung zu bedürfen, die Sie ja auch seinerzeit anregten. 4. Wissenschaftssoziologie. Das entspricht ja auch Ihrer seinerzeitigen Anregung. Wie weit wir darin gehen können, wird ja die Besprechung zeigen. Ich fände es sehr lockend allerlei zu bringen, soweit es unser Gesamtthema fördert. Ich freue mich sehr darauf, die so aussichtsreichen Besprechungen in unserem kleinen Kreise fortzusetzen. Ich rechne damit, daß Reichenbach von Prag aus verständigt wird, oder können Sie ihn erreichen. Er ist wohl kaum mehr in Konstantinopel. mit guten Grüßen hochachtungsvoll Ihr