\brief{Otto Neurath an Rudolf Carnap, 20. August 1934\labelcn{1934-08-20-Neurath-an-Carnap}}{August 1934} \anrede{Lieber Carnap!} \haupttext{Ach, das geht alles erst zum Türken\IN{\reichenbach}.\fnE{Gemeint ist der im türkischen Exil lebende Reichenbach.} Dann ists besser, das Mskpt\IW{\neurathradikal} bleibt in Prag. Ich hoffte, mit Dir dort schon die Korrektur zu lesen. Ich dachte, Du und Dub[islav]\IN{\dubislav} seien jetzt die Macher.\fnE{\labelcn{1934-08-20-Neurath-an-Carnap-Dubislav}Vgl. dazu oben, Brief Nr.~\refcn{19333-10-24-Carnap-an-Neurath}.} Also, dann auf mich warten lassen, wir besprechen alles zusammen, auch das, was Du schreibst. Ob ich komme, hängt davon ab, ob ich die ganzen Reisekosten irgendwie zusammenkreditiert krieg -- auf monatliche Abzahlung, wie meinen Staubsauger. Aber, wer weiß, ob ich noch so viel Kredit hab, monatlich 10 Gulden. Ka Geld, Kan Kredit -- dees freit an holt weni. Aber so ists\ldots\ Wer ka Geld hat, macht sich selbst an Narrn\ldots\fnE{Vgl. die entsprechende Strophe in dem abschließenden Couplet des 1818 uraufgeführten Wiener Volksstücks von Karl Meisl, \textit{Der lustige Fritz}, S.~157--159; eine ähnliche (nicht eruierte) Quelle für den vorausgehenden Satz ist anzunehmen.} Laß Dirs von Ina\IN{\ina} vorsingen. Mein Institut\II{\mundaneum} schuldet mir zwar ausreichend Geld, aber jetzt kann ichs nicht zurückverlangen, wo wir die ganzen Übersiedlungen von unseren Mitarbeitern zahlen mußten\ldots{} Ich komme, wenn überhaupt, via Kopenhagen am Donnerstag Abend an. Ich glaube, am 30. brauchen wir nur grundsätzlich besprechen, was man am 31. in einem etwas größeren Zirkel ausmacht, am 1. erzählen wir dann dem Plenum -- wie ich meine möglichst knapp, -- \neueseite{} was in Paris\II{\pariserkongress} gespielt wird. Aber die Details besprechen wir dann am 2. und folgenden Tag.\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{Was heißt das?}}.} Ich bin sehr dafür, daß ein kleines Komitee wie diesmal die Vortragsordnung usw. bespricht. Die Kongreßorganisation in Paris\II{\pariserkongress} ist wesentlich Sache der Pariser. Am 30. wird man Reichenbach\IN{\reichenbach} einladen, der ja mit Rougier\IN{\rougier}, wie er betont, schon vorher Besprechungen hatte. Ist Morris\IN{\morris} geeignet? Ich denke, wir werden am 30. abends\fnA{\original{Abend}} so 6 oder 7 Leute sein, nicht mehr. Ich schick Euch anbei noch ein paar Karten. Aber bitte Namen immer ausfüllen und notieren, wer Karte bekommen hat. Die Tagesordnung würde ich an Eurer Stelle mit irgend einer Vervielfältigungsmaschine abziehen lassen. Vielen Dank für die große Liste. Ich bin Deiner Meinung. Die ,,Vornehmen Fremden`` aus Wien laden wir nicht ein. Die Vorkonferenz\II{\vorbesprechunginprag} soll doch \gesperrt{innere} Klärung bedeuten. Hervorhebung des Gemeinsamen, und wäre es ein Problematisches. Aber nicht Auseinandersetzungen mit Außenseitern. Wohl aber sind sie in Paris\II{\pariserkongress} willkommen. Die Referate in Prag sollte man im Auszug notieren.\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{warum?}}.} Stenographieren nicht nötig, damit man dann die Publikation gut zusammenstellen kann. Vielleicht \gesperrt{ohne} Debatte drucken. Eher die Debattenergebnisse einflechten in die Referate oder in einem schönen Schlußwort vereinigen. Rand\IN{\rand}, bitte antworte Du. Ein Schnorrer kann schwer dem anderen Schnorrer antworten. Im übrigen glaube ich auch, daß man ihr das Geld besser anders zuwendet. Ich werde auch was beisteuern. Ich fürchte ohnehin, sie würde in Prag bedrückt sein. Ich fand nur, man kann nicht Hollitscher\IN{\hollitscherwalter} einladen und sie nicht. Ich glaube, man wird doch den Hörsaal nehmen. Es werden zu viele Leute sein und vor allem wird es dann notwendig zu intim. Ein Teil der Geladenen ist aber mehr als freundlich-erfreuter Zaungast gedacht. Aber das könnt Ihr ja entscheiden. \neueseite Wenn ich überhaupt abfahre, dann am Montag. Für ganz dringende Fälle mein Privattelephon ein für allemal: Haag 39 47 41\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{notiert}}.} Aber ich wüßte nicht, was so wichtig sein könnte. Also beste Grüße an Euch alle. Bitte sprich mit Frank\IN{\frankphilipp} über diesen Brief. Ich komme aus vielen Gründen sehr gern. Insbesondere auch wegen Paris\II{\pariserkongress}. Ich möchte doch, in Eurem Sinne, erreichen, daß keine halbpolitischen Sachen vorkommen, sondern daß man sich absolut an Wissenschaft hält.\fnE{Vermutlich beziehen sich diese Bedenken vor allem auf Rougier; vgl. oben, Brief Nr.~\refcn{1934-07-01-Neurath-an-Carnap} und \refcn{1934-07-08-Carnap-an-Neurath}.} Weiter, daß möglichst viele Wissenschaften dran kommen, nicht nur Physik, Mathematik und Logik. Die Probleme, die zur Enzyklopädie führen, halte ich für wichtig. Werde darüber einzelnes vorschlagen. Ich bin gern bereit, die Vortragssachen auch wieder vom Haag aus zu erledigen. Natürlich in engstem Einvernehmen mit allen. Es ist übrigens eine mühsame Sache, wenn auch interessant. Also, vielleicht und hoffentlich auf Wiedersehn in Prag.} \grussformel{Dein\\ON} \ebericht{Brief, msl., 3 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/828625}{RC 029-10-35 (Dsl. ON 219)}; Briefkopf: gedr. \original{International Foundation for the Promotion of Visual Education (by the Neurath Method)} mit näheren Angaben, msl. \original{Herrn Prof. Carnap\,/\,Prag} und \original{20.VIII.34}.}