\brief{Rudolf Carnap an Otto Neurath, 10. August 1934}{August 1934} \anrede{Lieber Neurath!} \haupttext{Besten Dank für Deine Briefe v. 26.~u. 27.~Juli, 2.~u. 6.~Aug., und für Olgas\IN{\neuratholga} Brief. Alle Freunde in M[ünchen] lassen Euch sehr herzlich grüßen, besonders Franz\IN{\rohfranz} und Hilde\IN{\rohhilde}, Dora\IN{\hansmannfrau}, Maue\IN{\maue}.\fnE{Gemeint sind: Franz und Hilde Roh, Dora Hansmann, Maue Gramm; zu den Treffen Carnaps während dieser Reise vgl. auch TB, 29.7. bis 8.8.1934.} Direkte Korrespondenz halten sie nicht für ratsam. Sie fragten, ob Marie-Luise\IN{} wirklich von Dir beauftragt ist; besonders Dora\IN{\hansmannfrau} war in großer Sorge hierum, wegen einer Freundin in (ich glaube:) Mannheim. Gib mir umgehend Bescheid, damit ich Dora\IN{\hansmannfrau} gleich Nachricht und hoffentlich Beruhigung geben kann. Ich hörte, daß Moholy-Nagy\IN{\moholy} (der frühere Mann von Lucia\IN{\luzia}) jetzt für einige Zeit in Amsterdam Z[uid], 123 Apollolaan, ist. Vielleicht nehmt Ihr mal unter Berufung auf mich und Franz\IN{\rohfranz} eine Beziehung mit ihm auf. Vorgestern bin ich zurückgekehrt. Gestern hab ich Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} gesprochen. Er wohnt im Hotel Splendid, um Treppen zu vermeiden. Wir haben (unter Hanjas\IN{\frankphilippfrau} liebevoller Initiative) besprochen, daß wir Dir zusammen einen Reisekostenzuschuß geben wollen, in dem Betrage, der den Kosten der einfachen Fahrt 3.~Kl[asse] von dort nach hier auf direktem Wege entspricht (wir wissen nicht genau, wieviel das ist, vielleicht etwa 500 Kč); wir wissen nicht, auf welchem Wege Du wirklich reisen willst, das ist unabhängig davon. Wir halten es aber für dringend nötig, daß Du herkommst; erstens als Initiator der Vorkonferenz\II{\vorbesprechunginprag}, der dieser auch den nötigen Schwung geben soll; zweitens wegen der Vorbesprechung für den Pariser Kongreß\II{\pariserkongress}; Frank\IN{\frankphilipp} fürchtet, daß ohne Deine energische Mitwirkung Rougier\IN{\rougier} den Kongreß\II{\pariserkongress} zu sehr nach seinen eigenen Ideen gestalten wird. Auf Deinem Programmentwurf steht Franks\IN{\frankphilipp} Vortrag zweimal (die ersten Zeilen sind anscheinend etwas durcheinander geraten). Frank\IN{\frankphilipp} möchte den Vortragstitel so formulieren: ,,Gibt es spiritualistische Züge in der modernen Physik?\IW{\frankvortragprag}\grqq\fnE{Publiziert als Frank, ,,Zeigt sich in der modernen Physik ein Zug zu einer spiritualistischen Auffassung?\grqq.} Morris\IN{\morris} (jetzt: Prag VII., Hotel Splendid, Ovenecka) sagte mir, daß noch vor kurzem jemand in Wien (er wußte nicht mehr, ob Waismann\IN{\waismann}, Kaufmann\IN{\kaufmannfelix}, oder wer) von Dir eine Nachricht bekommen habe, in der wieder Marienbad stand, so daß die Leute in Wien jetzt überhaupt nicht wüßten, was nun sei. Adresse: Dr. phil. et med. A[lexander] \uline{Herzberg}\IN{\herzberg}, Berlin-Schöneberg, Meranerstr. 4. Im Brief vom 2. lag die angekündigte \uline{Liste der Eingeladenen} nicht bei. Bitte schicke sie bald mal! Frank\IN{\frankphilipp} glaubt, Mises\IN{\mises} komme nicht zum Kongreß\II{\kongressphilosophieprag}. Hörsaal ist frei für uns. Das endgültige Kongreßprogramm wird nicht verschickt, sondern erst in Prag den Teilnehmern mit dem Kongreßbuch eingehändigt. Das Programm ist noch in Beratung. Ina\IN{\ina} hat durch Verhandlung mit dem Besitzer des Hotel Splendid erreicht, daß er bereit ist, jedem Kongreßteilnehmer 10 \%\ Rabatt zu gewähren. Ob Du das unseren Konferenzteilnehmern mitteilen willst, überlasse ich Dir. Das Hotel hat aber anscheinend nur wenig Einzelzimmer. Frank\IN{\frankphilipp} sagt, daß Herr Freyman\IN{\freymann},\fnAmargin{Hsl. \original{\textsp{\uline{MR} \uline{Freyman} \uline{Meiner} einladen!!}}.} Besitzer des Verlages Hermann \& Cie., Editeurs, 6 rue de la Sorbonne, Paris, vielleicht \neueseite{} zum Kongreß\II{\kongressphilosophieprag} kommt, und zur Vorkonferenz\II{\vorbesprechunginprag} kommen würde, wenn er eingeladen würde. Frank\IN{\frankphilipp} meint wie ich, daß man Freyman\IN{\freymann}, und ebenso auch Meiner\IN{\meinerfelix}, doch vielleicht einladen solle. Freyman\IN{\freymann} würde vielleicht den Konferenzbericht verlegen.\fnE{Der Bericht über die Vorkonferenz erschien schließlich in \textit{Erkenntnis} 5, 1935, S.~1--204.} Wenn Deutschland zu dünn vertreten, vielleicht doch noch Behmann\IN{\behmann} einladen? (Dr. Heinrich B[ehmann]\IN{\behmann}, Halle/Saale, Moltkestr. 5). Neider\IN{\neider} schreibt: ,,Schlick\IN{\schlick} kommt vielleicht am 2.~Tag der Vorkonf[erenz]\II{\vorbesprechunginprag} und würde gerne an der Diskussion über Physikalismus teilnehmen.``\fnE{Heinrich Neider an Rudolf Carnap, 4.~August 1934, RC 29-07-19.} Hanja\IN{\frankphilippfrau} sagt (was sie Dir wohl aber schon selbst geschrieben hat), daß Du bei ihnen wohnen und essen kannst. Vielleicht kannst Du es doch ermöglichen; wir alle würden uns sehr freuen, wenn Du kämst. Und außerdem bist Du als kontaktherstellender Mann zwischen den verschiedenen Gruppen dringend nötig. Wir mußten sehr lachen über Deine Beispiele aus unsrer Universalkartothek; leider ist sie noch nicht so glänzend eingerichtet, daß man aus ihr die Lokalkoordinaten des Handtuchs mit dem gelben Rand feststellen könnte (obwohl ich mir das dringend wünschen würde). Bisher umfaßt sie nur Menschen. Ina\IN{\ina} läßt herzlich grüßen. Wir fassen den Plan, Olga\IN{\neuratholga} auf unsrer Hinreise zu besuchen, sehr ernst ins Auge und freuen uns auf sie. Mit herzlichen Grüßen,} \grussformel{Dein\\R. Carnap} \briefanhang{Noch eine Bemerkung zum Programm der Vorkonferenz\II{\vorbesprechunginprag}. Ich halte es auch für besser, daß die allgemeine Einleitungsrede von Frank\IN{\frankphilipp} gehalten wird, da er besser so etwas Allgemeines sagen kann, die Beziehungen mit den Franzosen herstellen kann usw. Vielleicht sprichst vorher Du selbst noch ein paar Worte, als Initiator, über Vorgeschichte und Absicht der Konferenz-Idee, das Programm, die geplante Veröffentlichung usw. Es wäre mir aber lieb, wenn mein Vortrag unter die ersten, allgemeineren eingereiht würde, da ich über die Frage sprechen möchte, was das gemeinsame Untersuchungsgebiet dieser Vorträge und überhaupt unsrer Arbeiten ist, nämlich, daß es Wissenschaftslogik ist, und daß dies Syntax ist. Als Titel vielleicht: ,,Was ist der Gegenstand unsrer Untersuchungen?\grqq\IC{\vortragvorkonferenz} oder einen andern, der Dir einfällt, der dasselbe ausdrückt.\fnE{Laut Tagesordnung (\textit{Erkenntnis} 5, 1935, S.~1f.) lautete der Titel von Carnaps Vortrag letztlich ,,Gegenstand unserer Forschung -- Wissenschaftslogik``; publiziert als Carnap, ,,Formalwissenschaft und Realwissenschaft``.} Eben schreibt Mises\IN{\mises}, daß er nicht kommen kann; Grelling\IN{\grelling}, daß er kommt.} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/828633}{ON 219 (Dsl. RC 029-10-39)}; Briefkopf: gedr. \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap\,/\,Prag XVII.\,/\,Pod Homolkou 146}, msl. \original{Prag, den 10.~Aug. 1934}.}