Soeben erhalte ich die Nachricht, daß HahnPHahn, Hans, 1879–1934, öst. Mathematiker, Bruder von Olga Neurath, verh. mit Eleonore Hahn gestorben ist. Ich bin erschüttert, wie plötzlich das gekommen ist. Vor 2 Wochen hatte ich noch einen Brief von ihm, in dem noch nichts von einer Erkrankung stand.
Ich danke Ihnen für die freundliche Zusendung eines Kapitels aus Ihrem MSBKaufmann, Felix!Methodenlehre der Sozialwissenschaften, Wien Springer 1936. Ihre Erörterung und Kritik des Physikalismus interessiert mich natürlich lebhaft. An der Hauptstelle der Wiedergabe unsrer Auffassung, nämlich S. 144 unten - 145 oben, ist sie zutreffend dargestellt. Dagegen hatte ich aus der weiteren Erörterung den Eindruck, daß sie zuweilen doch eine nicht ganz zutreffende Interpretation unsrer Auffassung bekämpfen. So ist z. B. der Hauptinhalt des 1. Absatzes von S. 147 gar nicht in Widerspruch mit unsrer Auffassung, wie Sie zu glauben scheinen. Auch die Meinung „nur Fremdpsychisches könne Gegenstand wiss[enschaftlicher] Aussagen bilden“ (S. 145) ist nicht unsre Meinung! Ich glaube, daß Sie doch bei Ihren Überlegungen über den Physikalismus dessen These unwillkürlich immer in die inhaltliche Redeweise übersetzen, und dann diese nicht ganz getreue Abbildung bekämpfen. (Zum Trost mögen Sie sich sagen, daß denselben Fehler fast alle machen, die mit uns über den Physikalismus schriftlich oder mündlich diskutieren; fast alle bekämpfen Thesen, die wir gar nicht aufstellen. Ich fürchte allerdings, daß Ihnen das nur ein schwacher Trost sein wird.) Bitte behalten Sie vor allem immer im Auge, daß der Ph-ismus nichts über das Fremdpsychische, das Eigenpsychische, die Beziehung zw[ischen] Physischem und Psychischem behauptet (während Sie ja hauptsächlich gewisse Behauptungen über diese Gegenstände bekämpfen); sondern er behauptet nur etwas über gewisse Sätze (wie Sie es S. 144 richtig dargestellt haben), und zwar auch nichts über den Inhalt dieser Sätze, sondern nur über Ableitbarkeitsbeziehungen zwischen ihnen.
In vielem, was Sie weiterhin über verschiedene Irrtümer, die häufig von Geisteswissenschaftlern vertreten werden, sagen, bin ich natürlich ganz Ihrer Meinung. Überhaupt denke ich mir, daß Ihr BuchBKaufmann, Felix!Methodenlehre der Sozialwissenschaften, Wien Springer 1936 durch die ausführliche Klärung vieler metaphysischer Ansichten der Geisteswissenschaftler gute Arbeit tun wird. Daß dann aber schließlich doch zwischen uns die Differenz in bezug auf die Frage des Physikalismus bestehen bleibt, ist zwar betrüblich, aber das müssen wir nun einmal hinnehmen.
Ich fahre morgen nach Bayern, bis etwa 9. Aug. Post erreicht mich über Prag.
Ihnen und Ihrer FrauPKaufmann, Else, verh. mit Felix Kaufmann herzliche Grüße und gute Wünsche für beste Erholung auf dem Iselsberg‚