\brief{Otto Neurath an Rudolf Carnap, 12. Juli 1934\labelcn{1934-07-12-Neurath-an-Carnap}}{Juli 1934} \anrede{Lieber Carnap!} \haupttext{Heute in Eile dies: R[ougier]\IN{\rougier} schreibt mir, daß er im Spital Frank\IN{\frankphilipp} nicht mehr antraf, aber -- Frank\IN{\frankphilipp} hatte keine Adresse hinterlassen. Er nimmt an, daß er noch in Paris in einem Hotel wohnt. Bitte schreib mir, falls Du Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} neue Adresse hast. Ich habe ihm und Hanja\IN{\frankphilippfrau} geschrieben -- ohne Antwort. Wahrscheinlich ist Frank\IN{\frankphilipp} schwer deprimiert und zieht sich auf sich zurück. Ich weiß nur von seinem Bruder\IN{\frankjosef},\fnE{Josef Frank.} daß er von ihm einen Brief hat. R[ougier]\IN{\rougier} ist etwas verzweifelt, weil er mit Frank\IN{\frankphilipp} den Pariser Kongreß\II{\pariserkongress} besprechen wollte. Ich bin natürlich jetzt wegen Prag\II{\vorbesprechunginprag} etwas verzweifelt. Wir machen es so: VORKONFERENZ\II{\vorbesprechunginprag}. PRAG 31. AUG. und 1. SEPT. Bitte reserviere uns Euren Hörsaal für diese beiden Tage. Eventuell ists gemütlicher, einen Sitzungssaal mit langem Tisch zu haben. R[ougier]\IN{\rougier} ist besorgt, ob wirklich Referate gehalten werden. Von Jørg[ensen]\IN{\joergensen} habe ich Zusage, Du von Morris\IN{\morris}. Aber allzuviel können wir wohl nicht erwarten. Immerhin kann man rechnen, daß jeden Tag 6 bis 7 Stunden so gefüllt werden. Den Rest der Zeit in \gesperrt{kleinem Komitee} Besprechung Paris. Ich würde allen schreiben, daß sie dieselben Zimmer, die sie für den internationalen Kongreß\II{\kongressphilosophieprag} ab 2.~haben, ebenso schon ab 31.~Aug. nehmen sollen. Was meinst Du dazu. Würdest Du Dich, da wohl Frank\IN{\frankphilipp} sich nicht um diese Sachen kümmern kann, opfern und ein wenig das alles in die Hand nehmen? Ich glaube, das ist noch die beste Lösung. Ich schreibe in diesem Sinne an Rougier\IN{\rougier}. Brief an Rougier\IN{\rougier} liegt im Durchschlag bei.\fnE{Otto Neurath an Louis Rougier, 12.~Juli 1934, RC 029-10-54.} Auf Deinen Brief folgt ausführliche Antwort. Ich hab an sich gar nichts dagegen, Popper\IN{\popper} einzuladen. Aber er ist unserem Kreise\II{\schlickzirkel} persönlich fremd, was er sagt, auch in Persönlichem, wird auf unser Konto geschrieben, die Sache ist jetzt schon sehr eingeengt und sehr persönlich, nicht sehr auf Diskussion abgestellt. Aber ich will ihn einladen, wenn Du meinst. Es wäre auch gut, wenn er schon etwas publiziert hätte. Im ganzen besprechen Menschen mit einem gewissen ,,weltlichen`` Gewicht ihre Standpunkte, um auf dem intern[ationalen] Phil[osophie-]Kongreß\II{\kongressphilosophieprag} und besonders in Paris einigermaßen gemeinsam vorgehen zu können. Ich sehe solchen Zusammenkünften immer bang entgegen. Ich bin froh, wenn z.\,B. R[ougier]'s\IN{\rougier} Stellungnahme in seiner von uns besprochenen Brochure\IW{\rougiermystique}\fnE{Rougier, \textit{La Mystique soviétique}; vgl. oben, Brief Nr.~\refcn{1934-07-01-Neurath-an-Carnap} und \refcn{1934-07-08-Carnap-an-Neurath}.} \gesperrt{nicht} durch einen Zufall zur Debatte kommt. Wir ,,erfahrenen`` Menschen vermeiden eher so was, während ein ,,Neuling`` leicht in Fettnäpfchen tritt. An einem Kongreß\II{\pariserkongress} wie dem Pariser kann natürlich alles teilnehmen, Popper\IN{\popper}, Hollitscher\IN{\hollitscherwalter} usw. Da werden wir vielleicht schon Reisestipendien geben können. Auch ists nicht gut, daß wir sozusagen mit ,,Anhang`` kommen, die anderen aber nicht. Usw. Aber wie gesagt, wenn Du es ernstlich für gut findest, wird natürlich P[opper]\IN{\popper} eingeladen. Ich bin der letzte, der Schwierigkeiten macht in so einem Fall, ich will nur welche vermeiden. Die Brochure\IW{\rougiermystique}\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{Rougiers}}.} ist traurig und ist auch wegen Paris unerfreulich. Umso trauriger, als in der Verzerrung einer Karikatur vieles gesagt ist, was wir selbst auch sagen unter \gesperrt{Hervorhebung} ganz anderer Leistungen einerseits und unter Angriff gegen andere Länder andererseits. Es ist so viel Ressentiment zu spüren. Schade, sehr schade. Nächstens mehr. Schlick\IN{\schlick}-Antwort\IW{\neurathradikal} bald fertig. Ich bemühe mich, sie sorgsam durchzuarbeiten. Wie lange noch wird man drucken können in unserer Sprache! \textkritik{Gruß an Dich und Ina\IN{\ina}}\fnA{Hsl. Einschub.}} \grussformel{Nth} \briefanhang{\neueseite{} \textkritikl L[ieber] C[arnap] + L[iebe] I[na]!\\Vielen Dank, daß Sie sich um \uline{meine Freunde Heurteurs}\IN{\heurteur\IN{\heurteurfrau}} so kümmern, sie sind sehr beglückt darüber.\fnEmark\grussformel{Gruß,\\MR\textkritikr\fnAmark}}\fnAtext{Hsl. Einschub von Marie Reidemeister.}\fnEtext{\labelcn{1934-07-12-Neurath-an-Carnap-Heurteurs}In TB belegt sind einige Treffen Carnaps mit Heurteur (laut TB 21.4.1934 ein ehemaliger Grafiker oder Setzer bei Neurath) und dessen Frau, die nach den Februarkämpfen emigriert waren. Festgehalten ist dort auch eine zumindest einmalige finanzielle Unterstützung; vgl. TB 24.10.1934.}\fnAmargin{Ksl. \original{\textsp{Reidemeister}}.} \ebericht{Brief, msl., 1 Seite (auf Rückseite hsl. Einschub von Marie Reidemeister), \href{https://doi.org/10.48666/828696}{RC 029-10-53 (Dsl. ON 219)}; Briefkopf: gedr. \original{Mundaneum Institute The Hague} mit näheren Angaben, msl. \original{Herrn Prof. Rudolf Carnap\,/\,Prag} und \original{12.~Juli 34}.}