Otto Neurath an Louis Rougier, Kopie an Rudolf Carnap, 10. Juli 1934 Juli 1934

1934-07-10-Neurath-an-Rougier

RC 029-10-54; Typoskript

Herrn Prof. Rougier

BESANCON

NR 6auf Brief vom 10. Juli

12.VII.34

Lieber Herr Rougier!

Ihren Brief habe ich mit Beunruhigung gelesen. Frank scheint sich sehr auf sich zurückzuziehen – das spricht für deprimierten Zustand, also wohl für unguten Heilungsprozeß. Wie traurig. Ich habe weder von ihm, noch von seiner Frau Antwort bekommen. Durch den Bruder habe ich flüchtige Nachricht, aber keine Adresse. Ich bin bemüht sie zu bekommen.

Für PRAG habe ich nun an Carnap geschrieben. Ich nehme an, Sie sind einverstanden, daß wir nun folgendermaßen verfahren:

VORKONFERENZ IN PRAG, 31. Aug. und 1.Sept.

Die Teilnehmer werden aufgefordert in den Hotels oder Pensionen, in denen sie während des intern. Kongresses absteigen eben schon zwei Tagen vorher Wohnung zu nehmen. DAS VEREINFACHT ALLES SEHR. REDUZIERT AUCH DIE KOSTEN.

Ich hat unseren Freund Carnap, sich zu opfern, und sich um diese Angelegenheit zu kümmern. Ich hat ihn für den 31.Aug. und 1.Sept. im Institut einen kleinen Hörsaal oder eventÜll einen großen Sitzungssaal zu beschaffen. Wenn wir nur etwa 25 Besucher sind, ists vielleicht charmanter um eine Tafel zu sitzen.

Die Referate wollen wir nehmen, wie sie kommen. Von JØRGENSEN habe ich bereits die Zusage in der Hand. Er bittet nur das Thema etwas bescheidener zu formulieren: “EINIGE HAUPTLINIEN DER ENTWICKLUNG DER FORMALEN LOGIK SEIT BOOLE“. Wir haben einen Vortrag von Morris, der die Bedeutung des Pragmatismus zu unserer Auffassung behandeln will. Ich nehme an, daß wir im ganzen etwa 8 bis 10 Referate haben werden, sicher nicht weniger als 6. Aber ich will Ihrem Wunsche Rechnung tragend die Referatseite der Tagung nicht zusehr forcieren. Schlick fand das vorgeschlagene Thema nicht reizvoll genug, ich stellte ihm die Wahl frei, betonte nur, daß die Tagung den Zweck habe, die Gemeinsamkeit unserer Anschauung zu dokumentieren, damit wir durch eine Veröffentlichung des Tagungsberichtes für Paris eine gute Einleitung haben. Es genügt daher, wenn Einzelne nur ein paar kurze Einführungen geben und dann im Berichtein ausführlicheres Referat. Der GEDRUCKTE BERICHT ÜBER DIE VORKONFERENZ scheint mir wichtig zu sein – nach den Erfahrungen besonders die wir mit unserem Prager Bericht seinerzeit gemacht haben. Wie wollen Sie Ihr Thema nennen? Es wäre sehr schade, wenn Boll nicht käme.

1. Absolut einverstanden daß wir in kleinemKomitee uns versammeln, um Pariser KONGRESS zu besprochen. Also 10. September ist die ABSICHT. Ich glaube, daß das vielen besser paßt – ich glaube die Hitze ist im Juli sehr erheblich, soweit ich mich erinnere.

2. Mir leuchtet sehr ein, daß wir auf dem Prager Kongreß nach voraussichtlichen Teilnehmern am Pariser Kongreß suchen werden und sie zusammenzubringen trachten. Ob das leicht möglich ist, bleibt eine offene Frage, da meist die Stunden mit Programmen und Theater usw. überbelegt sind. Aber grundsätzlichbin ich sehr einverstanden und will mit Carnap besprechen, wie man das am besten organisiert. Vielleicht können wir eine kleine Drucksache anfertigen.

3. Verzicht auf Einzelvorträge ist nicht mehr gut möglich, wie ich Eingangs darlegte, weil ich die Einladungen schon hinausgegeben habe und die Antworte bereits einlangen, auch habe ich einzelne Vortragende recht intensiv gebeten zu sprechen. Es ist auch wichtig, daß wir für den Prager Kongreß durch diese Vorkonferenz eine gewisse Gemeinsamkeit schaffen, mag sie auch nur angedeutet sein.

Es genügt sicher, wenn Sie in Prag auf der Vorkonferenz eine kurze Orientierung geben und die Vervollständigung der Publikation des Konferenzberichtes überlassen. Wir sind ja alle etwas stark belastet. Die meisten von uns haben mehr als eine Angelegenheit zu erledigen.

Mein Schweigen hing zum Teil damit zusammen, daß ich ständig auf Franks Briefe wartete. Da er immer ungemein rührig und erfolgreich alles vorbereitet und durch seine konziliante Art uns in Prag ungeheuer helfen kann, lag mir an seiner Meinung sehr viel. Die erste Tagung in Prag hatte er sehr sinnvoll in die Naturforschertagung eingegliedert und wir durften Hauptreferate dann später in unserer Spezialpublikation mitverwenden. Natürlich gab es hier auch viel administratives zu erledigen, was mit Übersiedlung meiner Mitarbeiter hieher, mit großen Verhandlungen usws zusammenhing.

Es freut mich aufrichtig, daß Sie den Gedanken im Maarte s-Haus eine Zusammenkunft auf etwa eine Woche zu arrangieren, begrüßen. Wenn Sie ab Oktober 1935 in Brüssel sind erleichtert dies vieles. Ich hoffe auch die gemeinsame Arbeit auf vielen Gebieten.

Ich hoffe von Ihnen bald zu hören. Ich nehme an, daß in der abgeänderten Form die Prager VORKONFERENZ klappen wird, besonders wenn sich Carnap der Sache annimmt, der alles sehr exakt und sorgfältig unternimmt. Ich hoffe wir verständigen uns brieflich über den Aufruf den wir für PARIS der Prager Vorkonferenz, beziehungsweise dem Komitee, das die Kongreßorganisation vorbereitet, unterbreiten werden.

Ich hoffe bald von Ihnen zu hören, welche der Freunde unserer Arbeit aus dem lateinischen Gebiet, Vorträge anmelden. Die Liste, der von mir Eingeladenen bekommen Sie dieser Tage. Ich wäre Ihnen für Ihre Liste sehr verbunden, womöglich mit Adresse, damit ich eine Kartothek anlegen kann.

mit guten Grüßen, Ihr


Processed with \(\mathsf{valep\TeX}\), Version 0.1, May 2024.