Felix Kaufmann an Rudolf Carnap, 27. Juni 1934 Juni 1934

Lieber Herr Carnap!

Herzlichen Dank für Ihren Brief!

Ich freue mich sehr, daß Ihre „Syntax“B1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 in den nächsten Tagen erscheint. Selbstverständlich werde ich sie sehr gerne besprechenB, ebenso wie die bei GeroldIVerlag Gerold erscheinende BroschüreB. Da ich aber für reichsdeutsche Zeitschriften nicht schreiben möchte, fragt es sich wo. Ich habe zuerst an die Zeitschrift f. NationalökonomieI gedacht und mit dem Schriftleiter Dr. MorgensternPMorgenstern, Oskar, 1902–1977, dt.-öst.-am. Ökonom deswegen gesprochen. Er will auch eine BesprechungB bringen, aber diese womöglich selber machen. Wenn er sich dazu nicht fähig fühlt, wird er mir sie geben. Darauf habe ich mit SpringerPSpringer, Julius der Jüngere, 1880–1968, dt. Verleger gesprochen, um die Liste der Zeitschriften zu erhalten, an die Rez. Exempl. gehen. Aber Frau LangePLange, Frau von Tönjes Lange sagte mir, daß Sie diesbezüglich noch keine Vorschläge gemacht haben. Es steht gar nichts im Wege, daß ich für eine englische oder amerikan[ische] Zeitschrift rezensiere; das ist eine gute Sprachübung für mich und wegen der sprachlichen Überprüfung durch einen sprachkundigeren Gewährsmann würde ich dann schon LangePLange, Tönjes, 1889–1961, dt. Verleger, Direktor des Springer Verlages in Wien fragen. Ich will mich also, soweit es sich nicht um reichsdeutsche Zeitschriften handelt, ganz nach Ihrem Wunsche richten, nur weiß ich nicht ob eine Zeitschrift, die mich nicht kennt, mir die Rez. ohne anderweitige Intervention ? wird. Vielleicht schreiben Sie mir darüber nächstens ein paar Worte. Als Zeitpunkt der Abfassung der Rez. käme der Oktober in Frage. Wenn ich einstweilen Leihexemplare Ihres BuchesB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 und kleinen SchriftenB erhalten könnte, wäre ich sehr froh.

Wegen meines SchwagersPWeissbarth, Arthur, *1899, Schwager von Felix Kaufmann machen Sie sich keine Skrupel. Die Kanzlei geht ausgezeichnet und ich bin sicher, daß er und Dr. ReinerPReiner, Doktor, Rechtsanwalt in Prag Ihnen besonders gerne gefällig sind.

Es ist besonders erfreulich, daß Sie die Einladung nach LondonIUniversität London erhalten haben; aber ein Aufenthalt in London ist kaum eine Erfahrung und deshalb wäre es sehr gut, wenn Sie doch im Sommer in die Berge gehen könnten. Ich möchte gerne, wenn mein BuchBKaufmann, Felix!Methodenlehre der Sozialwissenschaften, Wien Springer 1936 bis dahin fertig ist, am 11. August mit ElsePKaufmann, Else, verh. mit Felix Kaufmann nach Iselsberg (bei Lienz) fahren um ca. 3 Wochen dort zu bleiben und dann nach Prag fahren.

Mit Prof. SmithPSmith, Thomas Vernor, 1890–1964, genannt T. V., am. Philosoph und Politiker aus Chicago war ich nicht zusammen, ich kenne ihn nicht. Wenn Prof. MorrisPMorris, Charles W., 1901–1979, am. Philosoph, bis 1951 verh. mit Trude Morris, danach mit Ellen Ruth Morris kommt, will ich ihn besonders freund🕮lich aufnehmen und ihm so weit ich kann dienlich sein. Wenn Sie in England nicht privat wohnen, empfehle ich Ihnen aufs wärmste das Shelbourne Hotel Upper Bedford Place im Univ. Viertel. Kosten pro Person für Zimmer mit Badebenutzung und opulentestem Frühstück ca. 7 ½ engl. ? pro Tag, vielleicht auch etwas billiger. Auch eine besonders nette Dame für Perfektion im Englischen kann ich Ihnen empfehlen. Mrs. Irene GrantPGrant, Irene, London, die lange hier in Wien war und vorzüglich Deutsch spricht. Sie ist eine sehr gute Freundin von Dr. Karl Polany [sic]PPolanyi, Karl, 1886-1964, ungar.-kanad. Ökonom, weiß bestimmt von Ihnen und würde Ihnen wahrscheinlich für Konversation und allenfalls sprachliche Durchsicht Ihrer Vorträge gar nichts rechnen, da Sie an der Person u. Sache sehr interessiert wäre. Auch sonst werde ich Ihnen vielleicht in Prag noch manches Zweckdienliche f. London sagen können.

Ich habe aus der zweiten Sendung d[es] Kongreßkomitees entnommen, daß die Vortragstexte eingesandt werden müssen; es ist aber kein Termin angegeben; ich habe angefragt ohne bisher Antwort erhalten zu haben.

Bei uns geht alles gut; das KindPKaufmann, Hansi, Sohn von Felix Kaufmann ist wirklich sehr nett und fühlt sich außerordentlich wohl. Ich bin etwas überarbeitet, aber die Arbeit geht wunschgemäß vorwärts und ich hoffe bis Anfang August im Wesentlichen mit ihr fertig zu sein. Im Zusammenhange dieser Arbeit habe ich mich auch wieder mit Ihren Analysen zum Behaviorismusproblem in der ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift befaßt und auch HempelsPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel sehr gute populärere Darstellung gelesen. Vielleicht darf ich Ihnen demnächst ausführlicher darüber schreiben.

MengersPMenger, Karl, 1902–1985, öst.-am. Mathematiker, verh. mit Hilda Menger BuchBMenger, Karl!1934@Moral, Wille und Weltgestaltung. Grundlegung zur Logik der Sitten, Wien, 1934 war auch für mich eine Enttäuschung, obwohl ich von Anfang an skeptisch war. Die Arbeit ist wirklich sehr unwesentlich.

Ihnen und Ihrer FrauPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap die herzlichsten Grüße und Sommerwünsche. Bitte gönnen Sie sich wenn irgend möglich eine ordentliche Erholung. In der Nähe von Lienz im Glocknergebiet ist ein Ort Kals, der mir sehr warm empfohlen wurde, ca. 1500 m hoch, Pension ca. 7 Schilling. Wenn Sie dorthin kämen, möchten wir auch gerne für einige Zeit dort sein.

Ihr
Felix Kaufmann

Auch ElsePKaufmann, Else, verh. mit Felix Kaufmann schickt die freundlichsten Grüße

Brief, hsl., 2 Seiten, RC 028-21-11; Briefkopf: hsl. 27 / VI 34.


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