\brief[Carnap an Neurath, Prag, 8.~Juni 1934]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 8. Juni 1934}{Juni 1934}\labelcn{1934-06-08-Carnap-an-Neurath} \anrede{Lieber Neurath!} \haupttext{Einen Aufsatz von Dir nehme ich gern, für die ,,Phil\ekl{osophy} of Sc\ekl{ience}``\II{\philosophyofscience}. Malisoff\IN{\malisoff} hat damals meinen Aufsatz\IC{\problemederphilosophieaufsatz} sehr schlecht über\-setzt.\fnEE{Carnap, ,,On the Character of Philosophic Problems``. Das deutsche Original (\href{https://doi.org/10.48666/808363}{RC~110-04-02}) ist mittlerweile posthum erschienen als ,,Über den Charakter der philosophischen Probleme``. Carnap war Mitglied im Editorial Board dieser 1934 gegründeten Zeitschrift.} Es wäre deshalb gut, wenn Du mir das MS schon in Englisch schicken könntest. (Oder vielleicht zunächst mal im deutschen Original, wenn Dir Bemerkungen und Änderungsvorschläge erwünscht sind). Ein Thema in der von Dir vorgeschlagenen Richtung (histor\ekl{ischer} Ausblick über Einheitswiss\ekl{enschaft} usw.) scheint mir sehr geeignet. Von \uline{Neider}\IN{\neider} habe ich merkwürdigerweise noch keine Korr\ekl{ektur} bekommen, obwohl ich das MS\IC{\aufgabederlogik}\fnE{Carnap, \textit{Die Aufgabe der Wissenschaftslogik}.} schon am 15.~Mai hingeschickt habe. \uline{Schlick}\IN{\schlick} hat wieder geschrieben. Er hatte nur schnell in der Korr\ekl{ektur} einiges geändert (anscheinend doch nur wenig, er schreibt nicht, was); Deine Hinweise konnte er nicht mehr verwerten. Er schreibt auf meine briefl\ekl{iche} Bemerkungen: ,,Ich habe nie daran gezweifelt, daß Neurath\inneurath{} es ablehnen würde, als Anhänger der üblichen Kohärenztheorie zu gelten; aber ich wollte auch nur behaupten, daß aus seinen Äußerungen, wenn man sie ernst nimmt, die K\ekl{ohärenz-}T\ekl{heorie} folge. Ich nahm an, daß ihm das selbst noch nicht klar sei, weil seine Gedanken zu undeutlich sind; sonst hätte er wohl kaum Reininger\IN{\reininger} zustimmend zitieren können. Ich habe ja angedeutet, daß die ganze Diskussion mir abwegig und wenig interessant erscheint; nur scheint es mir verfehlt, einfach alle Sätze als Hypothesen anzusehen; dies halte ich allein für wichtig, und darauf allein liegt der Ton in meinem Aufsatz\IW{}.``\fnEE{Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 5.~Juni 1934 (\href{https://doi.org/10.48666/870749}{RC 029-28-10}).} Ich weiß nicht, wer Anhänger der Koh\ekl{ärenz}-Th\ekl{eorie} ist. Aus dem Zusammenhang des Schlickschen\IN{\schlick} Aufsatzes\IW{\schlickfundament} und der Bedeutung des Wortes habe ich angenommen, daß eine Theorie gemeint ist, die als Wahrheitskriterium nur die Verträglichkeit der Sätze untereinander nimmt. Das genügt wohl; ich glaube, daß es nicht nötig ist, auf die Philosophen, die einmal so etwas vertreten haben, einzugehen. Ich messe keineswegs mit doppeltem Maß. Die Bemerkung von vorzeitiger Veröffentlichung bezieht sich auf unser beider Aufsätze\IC{\protokollsaetze}\IW{\neurathprotokoll}; aber nicht auf die über die allg\ekl{emeinen} Probleme des Physikalismus, sondern auf die über Protokollsätze. Dieses Problem scheint mir (sogar heute noch) nicht hinreichend klar. Dieses Problem, meinte ich, hättest Du noch nicht in vollem Umfange aufrollen sollen, bevor wir selbst uns wenigstens halbwegs klar darin sind. Im übrigen stimme ich Dir zu, daß man nicht bis zur klassischen Abklärung warten soll. Aber den richtigen Punkt in der Mitte zwischen den beiden Extremen schätzen wir wohl, unserm verschiedenen Temperament entsprechend, verschieden ab. Inbezug auf die Geldüberweisung durch Hahns\IN{\hahnhans} Vermittlung wäre es mir lieber, wenn Du selbst zunächst ihn um seine Einwilligung fragen würdest. Springer hat leider den Druck der ,,Syntax``\IC{\logischesyntax} (wegen der schwierigen Verhandlungen um eine engl\ekl{ische} Übersetzung) sehr verzögert. Ich hoffe aber, es kann jetzt in 2 Wochen etwa erscheinen. Für Dich war selbstverständlich ein Freiexemplar vorgemerkt. Wenn Du es aber doch rezensieren willst, so wäre es mir sehr lieb, wenn ich dadurch ein Ex\ekl{emplar} sparen könnte, da ich eh knapp daran bin und sie teuer zukaufen muß. Weißt Du irgendeine Zeitschr\ekl{ift}, die inbetracht käme? Am besten eine soziologische, da ich an diese sonst wohl kaum herankäme. Andererseits ist es vielleicht fraglich, ob die eine Rez\ekl{ension} über etwas Logisches nehmen wollen. Wenn Du Beziehung zu einer hast, ist es am besten, wenn der Herausgeber ein Rez\ekl{ensions}ex\ekl{emplar} von Springer anfordert. Wegen Rez\ekl{ension} Deines Buches\IW{\neurathneuesbuch}\fnE{Neurath, \textit{Empirische Soziologie}.} werde ich Frank\IN{\frankphilipp} erinnern. \textkritik{Euch allen herzl\ekl{iche} Grüße,}\fnA{Hsl. Einschub.}} \grussformel{Dein\\Carnap}%\Apagebreak \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/828713}{ON 219 (Dsl. RC 029-10-61)}; Briefkopf: gedr. \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap\,/\,Prag XVII.\,/\,N.~Motol, Pod Homolkou}, msl. \original{Prag, den 8.~Juni 1934}.}