Neurath an Carnap, Den Haag, 10. Mai 1934 Otto Neurath an Rudolf Carnap, 10. Mai 1934 Mai 1934

Lieber Carnap.

In Eile.

Zum VorwortB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934:

  1. Anfangsfanfare, ernst und gelassen: „Sätze über Sätze. Gut.

  2. „In manchen Kreisen hat sich gegenwärtig“ matt und fad. Als ob Du Dich der Kreise schämen müßtest. Sag ruhig und knapp, in der weiten Welt, USA, England, sogar etwas in Deutschland, Polen und besonders Wiener KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis, dem Verfasser zuzuzählen ist …und dieser Abschnitt bringt in gedämpftem Ton mit verhängter Trommel: „Philosophie wird durch Wissenschaftslogik ersetzt“. „Daß die Arbeit des Philosophen in Analyse besteht“…Ich würde vom Alp befreit aufatmen, wenn es hieße: „Und daß das, was an der Arbeit der Philosophen fruchtbar ist und nicht in die Realwissenschaft eingeht …Wissenschaftslogik ist“ lichter Fanfarenstoß, wie es dem distinguierten Charakter dieses Abschnittes – das ist ja Deine Tendenz – entspricht.

  3. Vorwort ist für faule Rezensenten und zum Mund wässrig machen. Das von den beiden Sprachen und wie sie sich am Schluß doch kriegen ohne Fährnis (S. 2 unten kein neuer Absatz!!!) muß in leichterer Sprache erzählt werden, nicht als Exzerpt aus dem Buch.

  4. Absatz über die allgemeine Syntax. Da wirds ernst. „Sozusagen der verschiedenen Logiken“ würde ich nicht sagen, wird soooooooo leicht mißbraucht, wie ja überhaupt das mit dem Toleranzprinzip leicht zu Mißdeutungen führt. Na ja. und nun:

Das über die Literatur fällt aus dem Rahmen und Ton, ebenso die „Elegie an FregePFrege, Gottlob, 1848–1925, dt. Mathematiker und Philosoph“ und der Song von den Musketieren und Landsknechten.

Mein Vorschlag, bring das vor dem Literaturverzeichnis im Anhang ganz ungezwungen und ergänze das durch ein paar Worte über den „Logischen Aufbau der Welt“. Wieso dies neueaHsl. Einschub. BuchB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 Erfüllung der Jugendsehnsucht. Wie weit Überwindung von Abwegen, wieweit Du zu dem stehst, was dort steht. Ich würde hier für den, der sich für die Wissenschaftslogik im Rahmen der Wissenschaften interessiert, auf Dein BüchelB1934@„Die Aufgabe der Wissenschaftslogik“, Einheitswissenschaft Heft 3, 1934 in der Sammlung „EinheitswissenschaftIEinheitswissenschaft, Schriftenreihe1Carnap, Die Aufgabe der Wissenschaftslogik. verweisen … Und der Schluß des Vorworts wäre nun ungezwungen aus S. 3 zu nehmen, wenn Du schon nicht mit einer Fanfare schließen willst, dann mindestens mit dem melodischen Sehnsuchtssang der Prager Nachtigall. S. 3 „Bei vorliegender Darstellung handelt es sich …“ als Fanfarerei zu chamadisch2Eine Chamade (auch „Schamade“) ist ursprünglich ein mit Trompete oder Trommel gegebenes Signal, das um Einstellung der Kampfhandlungen ersucht. und als Nachtigallen­sang zu steif. Sondern so:

„Aufgabe von grundsätzlicher Bedeutung!“

„Zages Zögern …Rechtfertigung sucht jeder, der neue Fahrt erstrebtbHsl. Ersetzung von sucht.!“

„Versuche die Küstengewässer der klassischen Logik zu verlassen.“

„(Vor uns die weite, blaue Ferne)dKlammern hsl. eingefügt., der offene Ozean der Möglichkeiten.“

Das wäre ein schöner Schlußsatz. Das würde dem Schlußsatz im „Logischen Aufbau“B1928@Der logische Aufbau der Welt, Berlin-Schlachtensee, 1928 entsprechen und Dir bei Vorschlägen für eine Professur keine Schwierigkeiten machen. Zumal Du es ja in der Mitte ohnehin gesagt hättest.

Ich verstehe sehr gut, daß Du das Schicksal Deiner Logik nicht mit dem der Einheitswissenschaft und des Physikalismus verbinden willst, wenn ich auch gerade bei Lektüre der internationalen Zeitschriften sehe, wie Du als Repräsentant unserer Denkweise durch die Welt kollerst …nichts mehr zu wollen. Muß mit Würde getragen werden!

Ich finde, so bekommt die Vorrede einen einheitlichen, abgeschlossenen Charakter und das BuchB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 einen netten Anhang. Da plätschert so allerlei im Gewässer herum. Herzliche Grüße an Euch beide vom Ozean …Man hört das leise Rauschen der Wogen, fürchtet den zerbrechenden Sturm und freut sich doch der Fahrt – nicht nur der freien Fahrt über das nun befreite Meer, sondern auch der kommenden Küste, der realwissenschaftlichen und der unseres Lebens.

ON

Brief, msl., 1 Seite, RC 029-10-65 (Dsl. ON 219); Briefkopf: msl. Den Haag 201 Schuytstraat und 10. V. 34.


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