Otto Neurath an Rudolf Carnap, 7. Mai 1934 Mai 1934

Im Sommer 1935 findet in Paris der erste Kongreß für Einheit der Wissenschaft statt, dessen Einberufung insbesondere von den Organisationen: … gefördert wird. Dieser internationale Kongreß hat den Zweck, all die zu sammeln, welche das wissenschaftliche Denken in seinem Gesamtumfang zu fördern bestrebt sind. Auf diesem Kongreß soll zum Ausdruck kommen, daß es für alle Wissensgebiete nur eine wissenschaftliche Sprache gibt, daß ein einheitlicher Empirismus allen Realwissenschaften zugrundeliegt. Paris, eine Stadt mit alten Traditionen des Nominalismus und Positivismus, die Stadt Henri Poincares wird den ersten Kongreß begrüßen können, der metaphysikfreie Forschung ohne Einschränkung vertritt. Neben Grundlagenfragen einzelner Wissenschaften und neben Erörterungen über die logisch-mathematischen und wahrscheinlichkeitstheoretischen Probleme wird auf diesem Kongreß auch der Wissenschaftssoziologie und der Geschichte der empiristischen Denkweise Raum gegeben werden. Um diesen Kongreß besonders wirkungsvoll zu gestalten und eine fruchtbare Debatte auf möglichst einheitlicher Grundlage vorzubereiten, wird eine Gruppe von Forschern mit Mitarbeitern und Freunden zu einer Vorkonferenz eingeladen, die vor dem Internationalen Philosophenkongreß in der Nähe von Prag Ende August 1934 in Marienbad stattfinden soll.

Der 30. und 31. August soll kurzen Referaten und Diskussionen gewidmet sein, die den Zweck verfolgen über die Gemeinsamkeit der Anschauungen zu orientieren. Die Unterbringung der Konferenzteilnehmer in Marienbad soll einheitlich durchgeführt werden. Näheres wird noch mitgeteilt. Zuschriften sind erbeten an: KONFERENZBÜRO „Einheit der Wissenschaft Den Haag. 232 Badhuisweg“.

Die Einladung ist persönlich und nicht übertragbar. Wenn einzelne der Eingeladenen Förderer dieser Richtung und engere Mitarbeiter miteingeladen wünschen bitten wir die Vorschläge dem Büro einzusenden. Eine größere Zusammenkunft liegt nicht in der Absicht dieser Konferenz. Es besteht die Absicht die erweiterten Konferenzreferate als Grundlage für den Pariser Kongreß herauszugeben.

Boll, Carnap, Frank, Hahn, Jørgensen, Kotarbinski, Łukasiewicz, Neurath, Rougier, Schlick, Tarski (eventuell).

Dazu kommen auch noch in Betracht Reichenbach, wenn rasch genug erreichbar, Russell, mit dem vielleicht Frank sprechen kann.