Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 25. März 1934 März 1934

Lieber Carnap‚

schönen Dank für Deine Zeilen. Sie haben mich noch in Wien erreicht, da ich meine Abreise verschieben mußte (wie das leider fast jedes Jahr geschieht, trotz allen guten Vorsätzen). Nun fahre ich bestimmt morgen, habe aber bis zur Stunde der Abfahrt noch unendlich viel zu tun. Daß die „Erkenntnis“IErkenntnis, Zeitschrift weiter erscheinen soll, freut mich. Die Korrekturfahnen des Aufsatzes über Philosophie und NaturwissenschaftB werde ich Dir nach meiner Rückkehr senden, nachdem ich die auf den besonderen Anlaß des Vortrages bezüglichen Stellen geändert haben werde. Auch die Bemerkungen zur Protokollsatzfrage erhältst Du bald. Der Verein Ernst MachIVerein Ernst Mach ist inzwischen wirklich aufgelöst worden, offenbar noch bevor mein Einspruch an die maßgebenden Stellen gelangt war. Ich habe neuerlich Berufung einbringen müssen, und halte es durchaus für möglich, daß sie Erfolg hat. Ob wir dann den VereinIVerein Ernst Mach aber nicht doch einschlafen lassen, ist eine andere Frage.

Ich habe immer noch kein Exemplar der „Philosophy of Science“IPhilosophy of Science, Zeitschrift erhalten; wenn überhaupt eins an mich abgesandt wurde, so ist es sicherlich verloren gegangen. Dein AufsatzB (den mir WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann geliehen hat) ist sehr klar und schön, nur ist höchst bedauerlich, daß der Übersetzer seine Sache so schlecht gemacht hat. Er scheint weder deutsch noch englisch zu können, denn er hat mehrfach falsch und unverständlich übersetzt, und der englische Stil ist einfach miserabel. Künftige Übersetzungen darf man dem Mann nicht anvertrauen. Es tut mir leid, daß ich Dich jetzt nicht sehen kann; aber spätestens treffen wir uns in Prag. Ich fahre nun zuerst nach Amalfi 🕮 und verschwinde dann auf einige Zeit für die Welt in unbekannte Paradiese. Ich verspreche mir vom Süden viel Gutes für meine Arbeit und mein Befinden.

Ich wünsche Dir fröhliche und gesunde Osterferien und bleibe mit vielen Grüßen für Dich und Deine FrauPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap

Dein
Schlick

Brief, msl., 2 Seiten RC 029-28-21; Briefkopf: gestempelt Prof. Dr. Moritz Schlick  /  Wien IV.  /  Prinz-Eugen-Str. 68, msl. 25. März 1934.


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