\brief{Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 12. März 1934}{März 1934} %[Wien], 12. März. 34 \anrede{Lieber Carnap,} \haupttext{besten Dank für Deinen Brief. Es tut mir leid, daß die Aktion für das Rockefeller\II{\rockefellerstiftung}-Stipendium nicht den gewünschten Erfolg gehabt hat. Nach meinen bisherigen, jetzt schon ziemlich zahlreichen Erfahrungen gibt es nur einen Weg, um zu einer Gastprofessur in U.S.A. zu kommen, falls Dir eine solche nicht ganz spontan angeboten wird. Er besteht darin, daß Du Dich selbst ganz offen an die Persönlichkeiten wendest, die für Deine Arbeiten Interesse haben, und Ihnen Deinen Wunsch vorträgst. So viel ich sehe, würden Lewis\IN{\lewis} und Sheffer\IN{\sheffer} dafür in Betracht kommen. Den Amerikanern ist dieser direkte Weg der sympathischste. Ich möchte annehmen, daß z.\,B. Lewis\IN{\lewis} freudig zugreifen und Dir eine Einladung verschaffen würde, falls sich überhaupt etwas machen läßt. Leider ist ja ein gewisser Geldmangel der amerikan[ischen] Universitäten \neueseite{} jetzt auch schon notorisch geworden. Mit Kaila\IN{\kaila} habe ich inzwischen zweimal gesprochen und ihm die Fahnen Deines Buches\IC{\logischesyntax} gegeben. Es ist eine bewunderungswürdige Arbeit, aber wir haben beide die Befürchtung, daß die schwere Lesbarkeit des mittleren Teiles des Buches\IC{\logischesyntax} seinem Absatz sehr ungünstig sein wird, zumal auch der Preis wegen des komplizierten Druckes wieder schrecklich hoch wird. Waismann's\IN{\waismann} Buch\IW{\waismannbuch} steht tatsächlich unmittelbar vor dem Abschluß; es sind nur noch kleine Korrekturen nötig, und außerdem möchte Wittgenstein\IN{\wittgenstein}, den ich in einer Woche hier erwarte, das Buch\IW{\waismannbuch} gern mit Anmerkungen versehen. An seinem eigenen\IW{} hat er mit dem größten Fleiß gearbeitet; von dem letzten Auszug aus dem gewaltigen Material, der wirklich publiziert werden soll, war zu Weihnachten schon fast ein Drittel fertig, und da W[ittgenstein]\IN{\wittgenstein} ja sehr schnell arbeitet, ist die Vollendung in greifbare Nähe gerückt. Über das Schicksal des Machvereins\II{\machverein} \neueseite{} bist Du zweifellos durch Neider\IN{\neider} unterrichtet. Ich persönlich glaube kaum, daß es zu einer wirklichen Auflösung kommen wird. Die Tätigkeit des Vereins\II{\machverein} (die ja ohnehin recht gering war) muß natürlich ruhen, bis die Sache entschieden ist. Mit irgendeiner Neugründung unter der Fahne ,,Einheitswissenschaft`` möchte ich auf keinen Fall etwas zu tun haben. Ich denke, es wird nicht nötig sein, zur Rettung des Machvereins\II{\machverein} die Hilfe des Herrn Rougier\IN{\rougier} in Anspruch zu nehmen, zu der er sich so freundlich erboten hat; ich werde ihm noch schriftlich danken für seine außerordentliche Hilfsbereitschaft. Es war für mich eine besondere Freude, diesen vortrefflichen, klugen und liebenswürdigen Menschen kennenzulernen, und ich hoffe sehr, mit ihm in Verbindung zu bleiben. Durch Rougier\IN{\rougier} erfuhr ich von dem Plane der Marienbader Zusammenkunft\II{}; ich werde aber wahrscheinlich auf die Teilnahme verzichten, um meine Sommerruhe nicht noch um 3 weitere Tage zu verkürzen. -- Mit meiner Gesundheit bin \neueseite{} ich gegenwärtig recht zufrieden, wenn ich auf so schöne Dinge wie Skilaufen auch künftig verzichten muß. Es freut mich, daß Ihr eine schöne Zeit im Riesengebirge zubringen konntet. Ich würde Dich schrecklich gern wiedersehen, wenn Du in der Woche vor Ostern nach Wien kommst; aber leider werde ich dann schon fort sein. Ich gedenke \sout{etwa} am 22. abzureisen, nach Italien oder Dalmatien; und wenn die Hoffnung mich nicht trügt, so steht mir eine herrliche Zeit dort bevor. Ich hoffe auch gut dort arbeiten zu können. Leider werde ich ziemlich viel Zeit einigen kleineren Sachen widmen müssen, so dem Prager Vortrag und einigen anderen Aufsätzen, die ich zugesagt habe. Wie steht es mit der ,,Erkenntnis``\II{\erkenntnis}? Ist es sicher, daß sie weiter erscheint? Solange übrigens das Schicksal des Machvereins\II{\machverein} ungewiß ist, müßte sein Name auf dem Titelblatt der ,,Erk[enntnis]``\II{\erkenntnis} fortbleiben, falls inzwischen eine Nummer herauskommen sollte. Besser wäre es natürlich, mit der Herausgabe des nächsten Heftes zu warten, bis die Angelegenheit entschieden \neueseite{} ist -- was ja in der nächsten Zeit der Fall sein wird. Dabei fällt mir folgendes ein. 1929 hielt ich an der Universität\II{\universitaetwien} den Einleitungsvortrag\IW{} zu dem Cyclus ,,Das Weltbild der Naturwissenschaft``, den die Universität\II{\universitaetwien} in Buchform herausgeben wollte. 1930 wurde der Vortrag in der Druckerei gesetzt, und ich habe einen Fahnenabzug. Der Druck des Buches wurde immer weiter verzögert und schließlich aufgegeben. Das war im Herbst, und seitdem liegt der Abzug unbenutzt bei mir. Ich würde ihn ganz der ,,Erkenntnis``\II{\erkenntnis} zur Verfügung stellen. Soll ich ihn Dir schicken? weißt Du etwas über das Erscheinen der nächsten Hefte? Bitte antworte mir gleich mit einer Zeile, damit ich die nötigen Änderungen vor meiner Abreise vornehmen kann (die Stellen, die sich auf die besondere Gelegenheit des Vortrages beziehen, müssen modifiziert werden). Ich möchte auch gern meine Ansicht über die Protokollsatzfrage zu Papier bringen und würde das in den Ferien tun, wenn die ,,Erk[enntnis]``\II{\erkenntnis} den Aufsatz\IW{} (er würde kurz sein) bald veröffentlichen könnte. Bitte grüße Deine Frau\IN{\ina} recht schön. Mit den allerherzlichsten Wünschen} \grussformel{Dein\\ Schlick} \briefanhang{Die Zeitschrift ,,Philosophy of Science``\II{\philosophyofscience} habe ich noch nicht gesehen, nur Feigl's\IN{\feigl} Aufsatz\IW{\feiglpsychophysischeprobleme} daraus, der ja aber nichts Neues bringt.} \ebericht{Brief, hsl., 5 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/808401}{RC 029-28-23}; Briefkopf: hsl. \original{\blockade{ksl.} 12.\,März. 34}.}