Felix Kaufmann an Rudolf Carnap, 1. März 1934 März 1934

Lieber Herr Carnap!

Es tut mir ganz besonders leid, daß aus der RockefellersacheIRockefeller Foundation nichts geworden ist. Der Grund dürfte darin liegen, daß die StiftungIRockefeller Foundation sehr geldknapp ist und daher von der allgemeinen Regel, daß Stipendien nur an Personen unter 35 Jahren gegeben werden sollen, überhaupt keine Ausnahme macht.

Als ich seinerzeit in Paris bei der R.F.IRockefeller Foundation vorgesprochen habe, wurde mir in einem Zusammenhange, der nicht Sie betraf, gesagt, daß es möglich wäre, daß die StiftungIRockefeller Foundation auch einen Forscher, der über 35 Jahre ist, in der Weise unterstützt, daß sie einer amerikanischen Hochschule, die ihn für Vorlesungszwecke einlädt, einen beträchtlichen Teil der Spesen vergütet. In diesem Falle hätte natürlich die betreffende Universität anzusuchen.

Ich bitte Sie daher, in Erwägung zu ziehen, ob Sie, wenn Sie zu einer der amerikanischen Universitäten eine Beziehung bekommen und die Frage des Honorars aktuell wird, nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen.

Ich habe mit Freude bei Fräulein RandPRand, Rose, auch Randin, 1903–1980, öst.-am. Philosophin, der ich wahrscheinlich von Beginn der übernächsten Woche an auf längere Zeit ins Stenogramm diktieren werde (für meine „Methodenlehre der Sozialwissenschaften“BKaufmann, Felix!Methodenlehre der Sozialwissenschaften, Wien Springer 1936), Druckbögen Ihres BuchesB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 gesehen und hoffe, daß Sie recht viel Freude an Ihrem Werk haben werden.

Bei uns geht alles in Ordnung. Das KindPKaufmann, Hansi, Sohn von Felix Kaufmann gedeiht jetzt sehr gut. Hoffentlich bleibt es so. – Ich will mich sehr bemühen in Wien zu sein, wenn Sie kommen und wir beide freuen uns sehr auf einen gemeinsamen Abend bei uns mit Ihnen und Ihrer Frau.

Viele herzliche Grüße auch an gemeinsame Freunde.

Ihr
Felix Kaufmann

🕮

P.S.

Soeben lesen ich, daß vom 2. bis 7. September 1934 in Prag der 8. Internationale PhilosophenkongreßIInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934 angesetzt ist, bei welchem folgende Themen Behandlung finden sollen:

1.) Grenzen der Naturwissenschaft‚

2.) Bedeutung der logischen Analyse für die Erkenntnis‚

3.) Deskriptive und normative Sozialwissenschaften‚

4.) Religion und Philosophie‚

5.) Krise der Demokratie‚

6.) Probleme der Psychologie und Pädagogik‚

7.) Die Aufgaben der Philosophie in unserem Zeitalter.

Zuschrift sind nach dieser Ankündigung zu richten an:

den vorbereitenden Ausschuss des VIII. Internationalen Philosophen-KongressesIInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934, Prag I, Smetanovo nám. 55, oder direkt an

den Vorsitzenden Professor Dr. Em. RádlPRadl@Rádl, Emanuel, 1873–1942, tschech. Biologe und Philosoph, Prag IV/279.–

Ich möchte nun sehr gerne auf diesem KongreßIInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934 ein ReferatB halten und zwar entweder zu Punkt 2) über die Frage „Bedeutung der logischen Analyse“ für die Geisteswissenschaften oder für die Sozialwissenschaften, oder zu Punkt 3), entweder über das Problem der Wertfreiheit in den Geisteswissenschaften (Sozialwissenschaften) oder über den Begriff des Gesetzes in den Sozialwissenschaften oder über irgendein verwandtes Thema, welches zu diesem Punkte gehört.

Wie Sie wissen, befasse ich mich seit mehr als 15 Jahren intensiv mit diesen ganzen Problemen, die ich in etlichen Publikationen für die Spezialgebiete der Rechtswissenschaft, Nationalökonomie und Soziologie behandelt habe. Im Herbst soll bei SpringerISpringer Verlag meine „Methodenlehre der Sozialwissenschaften“BKaufmann, Felix!Methodenlehre der Sozialwissenschaften, Wien Springer 1936 erscheinen, die die Fragen in voller Allgemeinheit aufrollen wird.

Ich nehme an, daß Sie von diesem KongreßIInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934 schon wissen und sich jedenfalls an der Behandlung des Punktes 2), vielleicht aber auch 🕮 der Punkte 1) und 7) beteiligen werden.

Wäre es Ihnen nun möglich, sich hinsichtlich der Frage meines ReferatesB mit Professor RádlPRadl@Rádl, Emanuel, 1873–1942, tschech. Biologe und Philosoph oder seinem zuständigen Referenten in Verbindung zu setzen und mir dann Bescheid zukommen zu lassen?

Besten Dank im Voraus‚

Ihr
FKeigenes Zeichen á la Neurath

Brief, msl., 3 Seiten, RC 028-21-20 (Dsl. FK 008182-008184); Briefkopf: msl. Dr. Felix Kaufmann  /  Wien‚XIX.  /  Döblinger Hauptstraße 90  /  Wien, 1. März 1934  /  Herrn  /  Professor  /  Dr. Rudolf Carnap  /  Prag, XVII.  /  N. Motol, Pod Homolkou.


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