Rudolf Carnap an Louis Rougier, 17. Dezember 1933 Dezember 1933

Sehr geehrter Herr Kollege!

Besten Dank für Ihren Brief vom 14. Nov. Inzwischen war NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath hier und hat FrankPFrank, Bruno, 1887–1945, dt.-am. Schriftsteller und mir von der Besprechung mit Ihnen berichtet (über den geplanten Kongreß Paris 1935IKongressfuerEinheit@1. Kongreß für Einheit der Wissenschaft/Congrès International de Philosophie Scientifique, Paris, 16.-21.IX.1935, und die geplante ZusammenkunftI vor dem Prager KongreßIInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934; dieser Kongreß ist jetzt auf den 2.-7. Sept. 1934IInternationaler Kongress für Philosophie@8. Internationaler Kongress für Philosophie, Prag, 2.-7.IX.1934 festgelegt).

Sie schreiben, daß Sie selbst an der SammlungI bei HermannIVerlag Hermann mitarbeiten, und sprechen von der geplanten Übersetzung meines Aufsatzes über MetaphysikB1931@„Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“, Erkenntnis 2, 1931, 219–241. Ich hatte Herrn Prof. Boll vorgeschlagen, diesen Aufsatz zusammen mit zwei andern Aufsätzen („Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“B1931@„Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“, Erkenntnis 2, 1931, 423–465, Erk.IErkenntnis, Zeitschrift II; „Psychologie in physikalischer Sprache“B1932@„Psychologie in physikalischer Sprache“, Erkenntnis 3, 1932/33, 107–142, Erk.IErkenntnis, Zeitschrift III) zu veröffentlichen. Mir scheint, daß diese drei Aufsätze gut zusammenpassen würden, und ein Bild von der antimetaphysischen Auffassung des Wiener KreisesISchlick-Zirkel, Wiener Kreis geben würden. Ich habe von Herrn Prof. BollPBoll, Marcel, 1886–1971, fr. Physiker und Philosoph über diesen Vorschlag noch nichts Bestimmtes gehört; ein Brief von ihm vom Juni dieses Jahres scheint verlorengegangen zu sein. Ich schreibe nun heute wieder an ihn. Vielleicht können Sie mit ihm zusammen die Frage besprechen. Falls die Veröffentlichung der Übersetzung der genannten drei Aufsätze zusammen aus ökonomischen Gründen jetzt nicht gut möglich ist, bin ich auch mit dem Vorschlag einverstanden, daß der Metaphysik-AufsatzB1931@„Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“, Erkenntnis 2, 1931, 219–241 separat erscheint. Die Übersetzung des Aufsatzes „Physikalische Sprache…“B1931@„Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“, Erkenntnis 2, 1931, 423–465 kann dann vielleicht später folgen.

In einer Zeitschrift, die jetzt in Amerika neu gegründet wurde, „Philosophy of Science“IPhilosophy of Science, Zeitschrift erscheint demnächst von mir ein AufsatzB1934@„On the Character of Philosophic Problems“, Philosophy of Science 1 (1), 1934, 5–19, von dem ich Ihnen nach Fertigstellung einen Sonderdruck schicken werde. In der „Erkenntnis“IErkenntnis, Zeitschrift erschienen von mir in diesem Jahr keine Aufsätze, da ich mit der Fertigstellung meines Buches „Logische Syntax der Sprache“B1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 beschäftigt war, das jetzt gerade in Druck gegangen ist; es wird in der von SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick und FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank herausgegebenen Sammlung „Schriften zur wissensch[aftlichen] Weltauffassung“I Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung, Buchreihe bei Springer-WienISpringer Verlag erscheinen.

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Intervention bei der Rockefeller FoundationIRockefeller Foundation. Leider ist Herr Van SicklePSickle, John Van, Rockefeller Foundation Officer in Paris nicht mit meiner Angelegenheit betraut, da er die Abteilung für Sozialwissenschaften unter sich hat, ich aber ein Stipendium für Mathematik anstrebe (da es keine fellowship für Philosophie gibt). Das Letztere wird wohl in meinem Fall der erschwerende Umstand sein. Ich wüßte sonst keine Erklärung dafür, daß mein von SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick vor annähernd einem Jahr eingebrachtes Gesuch bisher von Paris aus noch keinerlei Beachtung erfahren hat. Aber ich danke Ihnen auf jeden Fall für Ihr Gutachten und bin überzeugt, daß Ihre Fürsprache meiner Angelegenheit förderlich sein wird.

Mit vorzüglicher Hochachtung
ksl.

Brief, msl. Dsl., 1 Seite, RC 029-24-15; Briefkopf: gestempelt Prof. Dr. Rudolf Carnap  /  Prag XVII.  /  N. Motol, Pod Homolkou, msl. Prag, den 17. Dezember 1933  /  Herrn Professor Louis Rougier  /  Paris.


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