\brief{Rudolf Carnap an Kurt Gödel, 9. Oktober 1933}{Oktober 1933} %Prag, den 9.Oktober 33. \anrede{Lieber Herr Gödel,} \haupttext{Ihren letzten Gruß aus Wien erhielt ich. Ich selbst bin aus der Steiermark nicht mehr nach Wien zurückgekommen, sondern entschloß mich, noch kurz nach Deutschland zu fahren. Es war nicht sehr erfreulich, aber aus Familiengründen nötig. Ich erzählte Ihnen schon, daß Schlick\IN{\schlick} für mich bei der Rockefeller Foundation\II{\rockefellerstiftung} um ein Stipendium (,,special fellowship``) für Amerika nachgesucht hat. Ich würde dann eine Zeitlang nach Harvard\II{\harvard} gehen, um mit Lewis\IN{\lewis}, Quine\IN{\quine} (der hier bei mir war), Sheffer\IN{\sheffer} und Huntington\IN{\huntington} zusammenzuarbeiten, und eine Zeitlang nach Princeton\II{\princeton}, zur Zusammenarbeit mit v. Neumann\IN{\neumannvon} und, wenn Sie noch dort sind, mit Ihnen. Letzteres, falls ich schon Febr. 1934 reisen könnte. Ich würde eine Zusammenarbeit mit Ihnen beiden über die Grundlagenfragen der Logik und Mathematik ganz besonders wünschen und für fruchtbar halten. Soeben schreibt mir Kaufmann\IN{\kaufmannfelix} aus Paris; er hat dort bei der Rock. Found.\II{\rockefellerstiftung} wegen meines Gesuchs vorgesprochen; er sagt, daß es nicht ausgeschlossen sei, das Stipendium noch für Februar zu bekommen; es sei jetzt vor allem wichtig, eine Reihe guter Gutachten von anerkannten Wissenschaftlern über meine wissenschaftlichen Qualitäten und Arbeiten zu bekommen. Ich möchte Sie nun bitten, v. Neumann\IN{\neumannvon} zu fragen, ob er bereit wäre, ein solches Gutachten abzugeben (direkt an die Rock. Found.,\II{\rockefellerstiftung} \uline{Adresse}: Paris (8\textsuperscript{e}), 20, Rue de la Baume). Ich bitte Sie um diese Vermittlung, da ich v. N[eumann]\IN{\neumannvon} nur flüchtig von Königsberg\II{\koenigsbergerkongress} her kenne, und vor allem, da Sie ja mein neues MS\IC{\logischesyntax} kennen, das zur Beurteilung meiner Arbeit auf dem Gebiet der Logik und Mathematik in erster Linie in Betracht kommt. Ich würde natürlich am liebsten das Gutachten erst erbitten, wenn ich das Buch\IC{\logischesyntax} vorlegen kann. Es wird aber erst in einigen Wochen in Druck gehen und erst in einigen Monaten fertig vorliegen, sodaß ich leider nicht darauf warten kann. Wenn v. N[eumann]\IN{\neumannvon} zu dem Gutachten bereit ist, müßte er etwa schreiben, daß er von mir gehört hat, ich hätte das Gesuch eingereicht und wolle auch einige Zeit mit ihm zusammenarbeiten; dann sein Urteil über mich und über den Wert eines näheren Gedankenaustausches in persönlichem Verkehr. Ich würde mich sehr freuen, von Ihnen Näheres zu hören, wie und was Sie drüben arbeiten, und was sonst drüben gemacht wird, vor allem auch, ob v. N[eumann]\IN{\neumannvon} auch noch auf dem Gebiet der Logik und der logischen Grundlagen der Mathematik arbeitet. Bis wann genau werden Sie in Princeton\II{\princeton} bleiben? Und fahren Sie dann gleich nach Europa zurück oder wo und was machen Sie noch in Amerika? Falls ich im Februar schon hinüberkommen könnte, wüßte ich gerne, wo und wie ich die Sommermonate nutzbringend zubringen könnte. Was macht man in Princeton\II{\princeton} im Sommer? Falls Sie gelegentlich erkunden können, ob Veblen\IN{\veblen}, der mir oft Sonderdrucke schickt, wirklich etwas von meinen Sachen kennt, und was er davon hält, so würde mich das sehr interessieren. \neueseite{} Ich bitte Sie, Herrn v. N[eumann]\IN{\neumannvon} zu grüßen und ihn mit meiner Sache bekannt zu machen. Ihnen selbst herzliche Grüße und beste Wünsche für fruchtbare Arbeit und ein auch sonst angenehmes Leben,} \grussformel{Ihr\\ R. Carnap} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/871457}{RC 115-08-08}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Prag XVII. \,/\, N. Motol, Pod Homolkou}, msl. \original{Prag, den 9.\,Oktober 33}.}