\brief{Felix Kaufmann an Rudolf Carnap, 6. Oktober 1933}{Oktober 1933} %Paris, 6.X.33 \anrede{Lieber Herr Carnap!} \haupttext{Also gestern war ich bei der R.F.\II{\rockefellerstiftung} und freue mich sehr Ihnen mitteilen zu können, daß sich Ihre Aussichten, wenngleich noch keineswegs gesichert, so doch wesentlich günstiger beurteile, als vor der Aussprache. Der Referent Mr. Miller\IN{\millerdr}, zu dem mich Herr Van Sickle\IN{\vansiep} führte, wußte darum fast nichts von Ihnen, weil er das Sie betreffende Referat von einem Herrn der jetzt in China ist, erst vor kurzer Zeit übernommen hat. Dadurch erklärt sich auch die Verzögerung. Aber ich konnte ihm in etwa 3/4stündiger Aussprache einiges von dem sagen, was ich von Ihnen als Menschen, Wissenschaftler und Pädagogen halte und ihm außerdem klar machen, wie außerordentlich \blockade{wichtig? richtig?} die Fragen sind, denen Ihre Hauptarbeit gilt. Er ist, glaube ich Biologe, wußte aber vom Grundlagenstreit in Logik und Mathematik, ist ein ruhiger, kluger angenehmer Mensch, dem anscheinend die Zustände im Reich sehr nahe gehen. Ergebnis: Special-Fellowships werden zwar nur in besonderen Ausnahmefällen gegeben, aber falls Sie einen solchen bilden (was ich mich bemüht habe, ihm klar zu machen), ist nicht einzusehen, warum Sie sie nicht bekommen sollen. Um nun Ihre wissenschaftliche Stellung zu bezeugen, sollen Sie beachten, daß möglichst bald entsprechende möglichst viele Äußerungen hervorragender Fachgenossen an die R.F.\II{\rockefellerstiftung} gelangen. Am besten wohl von Amerikanern u. Engländern. Schlick\IN{\schlick} kannte er nicht, auch Frank\IN{\frankphilipp} nicht, trotzdem glaube ich, [daß] zumindest Schlick\IN{\schlick} auch schreiben sollte. Am wichtigsten natürlich - glaube ich - Lewis\IN{\lewis}, an dessen ersten Brief er sich dunkel erinnert. Sheffer\IN{\sheffer}, Bridgeman\IN{\bridgman} und, wenn es irgendwie möglich wäre Whitehead\IN{\whitehead} (vielleicht durch Frau Langer\IN{\langersusanne}). Wert haben nur ganz erstklassige Gutachten. Die Stiftung selbst wird nicht anfragen, weil sonst jeder nur günstige Äußerungen abgibt. \neueseite{} Aber die von der R.F.\II{\rockefellerstiftung} uneingeforderten Äußerungen könnten wie ich glaube folgendermaßen motiviert werden. Prof. Carnap\IN{\carnap}, mit dem ich in regem wissenschaftl[ichen] Gedankenaustausch stehe (oder dessen Werke ich sehr gut kenne etc.) bewirbt sich wie ich höre um eine Special Fellowship. Darum möchte ich etc. Von der neuen Zeitschrift\II{\philosophyofscience} u. d[er] Erkenntnis\II{\erkenntnis} wußte Herr M[iller]\IN{\millerdr}. Er hat sich mit Interesse notiert, daß Sie Mitherausgeber sind. Nun wird Herr M[iller]\IN{\millerdr} höchstwahrscheinlich noch 1933 nach Prag kommen persönlichen Kontakt mit Ihnen pflegen. Wenn alles geht, wie ich es wünsche, d.\,h. wenn man sich prinzipiell dafür entscheidet, Ihnen die Special Fellowship zu geben, so wäre auch Aussicht, daß Sie schon im Frühjahr 34 hinüber können. Sie werden nur angeben müssen, wie Sie die Ferien fruchtbar ausnutzen wollen. Betonen Sie bei der Besprechung \uline{nicht}, daß Sie drüben bleiben wollen, sondern sagen Sie eher, daß Sie doch hoffen, daß sich die Verhältnisse in Deutschland oder in der Cechoslovakei so gestalten werden, daß Sie dort eine Zukunft für sich sehen. Daß Sie mit d[em] derzeitigen Regime in Deutschland nicht sympathisieren habe ich M[iller]\IN{\millerdr} mitgeteilt, hingegen müssen Sie ihm nicht sagen, daß Sie Sozialist sind. Nun wird also sehr viel von den Gutachten abhängen; denn daß Sie sich persönlich mit M[iller]\IN{\millerdr} vertragen werden, daran zweifle ich kaum. Alle guten Wünsche und viele Grüße Ihnen und Ihrer Frau\IN{\ina}} \grussformel{Ihr\\ Felix Kaufmann} \ebericht{Brief, hsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/870064}{RC 028-22-06}; Briefkopf: hsl. \original{Paris, 6.\,X.\,33}.}