\brief{Rudolf Carnap an Felix Kaufmann, 27. September 1933}{September 1933} %Prag, den 27.9.33 \anrede{Lieber Herr Kaufmann!} \haupttext{Während des Schreibens kam mir der Gedanke, daß Sie vielleicht meinen Brief den R.F.\II{\rockefellerstiftung} Leuten geben wollen. Darum will ich einige private Zeilen lieber gesondert schreiben. Ich bin Ihnen wirklich ganz besonders dankbar, daß Sie für mich intervenieren wollen. Ich habe das Gefühl, wenn Sie die Sache in die Hand nehmen, so müsste sie doch gelingen, sofern nach der Sachlage überhaupt eine Möglichkeit dafür besteht. Meine Frau\IN{\kaufmannfrau} ist auch ganz gerührt über Ihre aufopfernde Freundlichkeit. Wie ich Ihnen schon erzählte, habe ich bei dem Amerikaplan privatim noch den Gedanken, mich drüben um eine dauernde Stellung umzusehn. Deutschland ist ja jetzt für mich ausgeschlossen; und hier in Prag\II{\universitaetprag} besteht keine Aussicht mehr, daß die kümmerliche außerordentliche Professur (wie mir ursprünglich in Aussicht gestellt wurde) in eine ordentliche umgewandelt wird; es wird überall eingeschränkt und abgebaut. Es wird mir sehr schwer, das Geld für die Kinder\IN{\johannes}\IN{\hanneliese}\IN{\annemarie} in Deutschland aufzubringen (natürlich durch Kapitalaufzehrung). Deshalb möchte ich mich mit möglichster Beschleunigung um etwas Besseres umsehen. Hempel\IN{\hempel} ist augenblicklich bei Dr. Paul Oppenheim\IN{\oppenheim}, Brüssel, 21 rue Victoria. Er hat Ihren Brief hier noch bekommen. Er will in den ersten Oktobertagen nach Berlin zurückfahren, um den Schuldienst anzutreten. Zunächst ist das wohl die beste Möglichkeit für ihn. Hoffentlich findet er dann einmal etwas im Ausland. Wenn ich nach Amerika komme, werde ich mich auch für ihn umschauen. Seine Familie fand ich nach der Rückkehr aus dem ,,Sanatorium Carnap`` glänzend erholt. Wir haben uns sehr gefreut, ihn hier zu haben. Ich studiere gerade Gödels\IN{\goedel} Beiträge\IW{} in Mengers\IN{\menger} Kolloquiumbericht\II{\mengerscolloquium} \IW{}. Darf ich ihn noch einige Tage behalten? Falls sie ihn auf der Reise haben möchten, schreiben Sie mir bitte Ihre Adresse. Falls Sie nicht schreiben, schicke ich das Heft in der nächsten Woche nach Wien. Gödels\IN{\goedel} Sachen sind sehr interessant; bevor ich darüber urteile, muß ich sie aber noch genauer studieren. Vielleicht können Sie in \uline{Paris} Boll\IN{\boll} und Rougier\IN{\rougier} sprechen. Frank\IN{\frankphilipp} hat sie kürzlich gesprochen. Sie wollen mit uns Ostern 1934 einen Kongreß für wissensch[aftliche] Philos[ophie] in Paris\II{} arrangieren. Vielleicht würden Sie auch teilnehmen? Boll\IN{\boll} hat die Übersetzung eines Aufsatzes \IC{}von mir herausgebracht und will noch weitere herausbringen. In \uline{England} kenne ich niemand persönlich, aber Miss L.\blockade{Ergänzung?} Susan Stebbing\IN{\stebbing}, London NW 3, Kingsley Lodge, 27 Belsize Park Tel. Primrose Hill 0893, hat mir mehrmals geschrieben und mir kürzlich eine Broschüre (Akademievortrag) ,,Logical Positivism and Analysis``\IW{} geschickt. Sie schreibt darin ganz interessant über Wittgenstein\IN{\wittgenstein}, den Wiener Kreis\II{\schlickzirkel} und Moore\IN{\moore}. Ferner hat mir der Biologe Woodger\IN{\woodger} (Dr. J[oseph] H[enry] W[oodger], London W1, Middlesex Hospital, Medical School) mehrmals geschrieben und Aufsätze\IW{} \IW{} geschickt, in denen er die logistische Relationstheorie auf biologische Begriffe anwendet. Falls Sie mit Philosophen sprechen, könnten Sie sich vielleicht nach Dr. Max Black\IN{\black}, Newcastle on Tyne, erkundigen? Er möchte Sachen von mir ins Englische übersetzen. Ein Buch über Nature of Mathematics\IW{} kommt von ihm jetzt bei Kegan Paul\II{\keganpaulverlag} heraus. Ich wünsche Ihnen besten Erfolg für Ihren Vortrag. Hoffentlich treffen Sie interessante Leute und finden auch noch etwas Erholungszeit während Ihres Urlaubs. Ihnen und ihrer Frau\IN{\kaufmannfrau} herzliche Grüße von uns beiden} \grussformel{Ihr\\ R. Carnap} \ebericht{Brief, msl., \href{https://doi.org/10.48666/870071}{FK 008169 (Dsl. RC 028-22-10)}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Prag XVII. \,/\, N. Motol, Pod Homolkou}, msl. \original{Prag, den 27.\,9.\,1933}.}