Rudolf Carnap an Moritz Schlick, 19. Juni 1933 Juni 1933

Lieber Schlick!

Lange habe ich Dir nicht geschrieben, für einen Brief im März und einen Gruß im April von der Adria habe ich Dir zu danken. Ich hoffe, Anfang Juli einige Tage nach Wien kommen zu können. Ich freue mich, dann endlich auch in Muße mit Dir manches Persönliche und Sachliche besprechen zu können. Ich schreibe Dir nun jetzt schon, weil ich gern in einer Frage über mein MSB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 schon vor meiner Reise Bescheid haben möchte.

Ich habe mich in den vergangenen Monaten eifrig an die Durcharbeitung des MSB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 gemacht. Der ganze Text ist vollständig erneuert. Dabei habe ich, dem Wunsch SpringersPSpringer, Julius der Jüngere, 1880–1968, dt. Verleger nach Kürzung um ¼ entsprechend, einen größeren Abschnitt (29 S.) und mehrere kleine ganz gestrichen, ferner bei der Neuformulierung mich überall kürzer gefaßt. Dabei auch inhaltlich verbessert und an einigen Stellen Neues hineingebracht, aber nur solches, das mir besonders wichtig schien. Aber zu meiner eigenen Verwunderung ist da an einer Stelle ein ganz neues Kapitel entstanden. Ich hatte ursprünglich nur zwei bestimmte Sprachen behandelt (eine finitistische und die der klass[ischen] Math[ematik] u. Physik); daneben waren ein paar Ansatzpunkte zur „allg. Syntax“, d. h. Syntax beliebiger Sprachen. Als ich diese etwas deutlicher darstellen wollte und mir die Sache besser überlegte, wurde ein neues Kap. daraus. Ich habe mir sehr überlegt, ob ich es weglassen soll. Nachdem ich jetzt mit der Durcharbeitung ziemlich fertig bin, habe ich den Umfang (für den Druck) berechnet und bemerkt, daß er den von Springer gewünschten erheblich übertrifft. Aber es erscheint mir nun doch unzweckmäßig, das Kap. wegzulassen; ich glaube, daß die ganze Sache dadurch besonders gewinnt. Nun ist mir der Gedanke gekommen, ob ich nicht das ganze in zwei Bände teilen könnte. Siehe beiliegendes Blatt. II B ist das neue Kap. II C ist das Kap., das Du im Dez. gelesen hast. Mir scheint, daß diese beiden sehr gut zusammen den Hauptinhalt eines selbständigen Bandes bilden können, in dem wenig Formelkram vorkommt, und den ich so formulieren könnte, daß er (zur Not) für sich allein gelesen werden kann (obwohl natürlich zur gründlichen Vorbereitung auf ihn der erste erforderlich ist). Ich habe jetzt die Frage mit FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank besprochen, und er ist sehr für diesen Plan der Zweiteilung. Vom verlegerischen Gesichtspunkt (der leichteren Verkäuflichkeit) ist es vielleicht zweckmäßig, die beiden Bände nicht als Bd. I u. II eines Werkes zu bezeichnen, sondern unter zwei selbständigen Titeln erscheinen zu lassen; als Titel für den zweiten schlug F[rank]PFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank vor: „Philos[ophie] als Syntax“ (um die These, daß Philos[ophie] Syntax ist, schon im Titel zum Ausdruck zu bringen). Die Teilung hätte auch den Vorteil, daß ich an einigen Stellen mich wieder etwas leichter verständlich ausdrücken könnte; an manchen Stellen ist allerdings die Kürzung auch ein Vorteil.

Ich wäre Dir sehr dankbar, wenn Du mir ganz kurz mitteilen würdest, ob Du mit der Teilung in zwei Bände einverstanden bist; ich könnte dann vor meiner Reise einen Teil des neuen Textes endgültig zum Abtippen fertig machen. Daher wäre mir baldige Nachricht sehr erwünscht. 🕮

Ferner wäre ich Dir dankbar, wenn Du im Falle des Einverständnisses den Plan der Zweiteilung SpringerPSpringer, Julius der Jüngere, 1880–1968, dt. Verleger mitteilen und bei ihm befürworten würdest. Vielleicht genügt es, wenn Du zunächst nur einfach telephonisch sein grundsätzliches Einverständnis einholst; die Einzelheiten könnte ich dann in Wien mündlich besprechen. Auch FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank will, sobald Du Dich einverstanden erklärt hast, an SpringerPSpringer, Julius der Jüngere, 1880–1968, dt. Verleger schreiben.

Vermute ich recht, daß Vorlesungen und ZirkelISchlick-Zirkel, Wiener Kreis bis zum 7. Juli gehen? Und wie lange bist Du noch in Wien?

Soeben kommt ein Telegramm von MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro BernsteinaHsl., daß MajaPRosenberg, Maja, 1904–1969, russ.-israel. Pädagogin, Schülerin von Moritz Schlick, verh. mit Moro Bernstein in Prag ist.

Mit herzlichen Grüßen

Dein
Carnap

Eben kommt auch Dein Telegr[amm]bHsl.

Brief, msl. 2 Seiten, MS 95/Carn-36 (Dsl. RC 029-28-27); Briefkopf: gestempelt Prof. Dr. Rudolf Carnap  /  Prag XVII.  /  N. Motol, Pod Homolkou, msl. Prag, den 19. Juni 1933hsl. Notiz.


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