Karl Popper an Rudolf Carnap, 7. Mai 1933 Mai 1933

Sehr geehrter Herr Professor‚

ich muß Sie vielmals um Entschuldigung bitten, – wenn es überhaupt zu entschuldigen ist, daß ich Ihnen so lange nicht geantwortet und Ihr ManuskriptB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 (das gleichzeitig an Sie abgeht) so lange nicht an Herrn HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel geschickt habe.

Der Grund, weshalb ich nicht schrieb, ist der, daß ich Ihnen sehr gerne ausführlich über Ihr ManuskriptB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934 geschrieben hätte, wegen Überarbeitung aber bis heute nicht dazu gekommen bin, meine Notizen ordentlich auszuarbeiten.

Ich stehe in der peinvollsten Weise unter dem Druck meiner außerwissenschaftlichen Pflichten, vor allem meiner Schularbeit. Ich komme zwar dazu, zu arbeiten, aber diese Arbeit besteht nur darin, daß ich gewiße Fragen durchdenke, manchmal auch lese und hier und da etwas skizziere. Zu zusammenhängender Arbeit finde ich einfach keine Zeit; nach einigen fruchtlosen Versuchen, die Sache so wie früher durch Nachtarbeit zu erzwingen, habe ich auch diese Methode aufgeben müssen. So habe ich im heurigen Winter sehr wenig geleistet und fast nichts von meinem Arbeitsprogramm durchgeführt.

Was mein BuchBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 betrifft, so sind die Aussichten weiter schlecht. Nach vielen Versuchen habe ich endlich heute SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick gesprochen. Er beurteilt mein BuchBPopper, Karl R.!1935@Logik der Forschung, Wien, 1935 sehr günstig (viel günstiger als ich vermutet habe) und versprach, es Springer wärmstens zu empfehlen. Aber leider sagte mir Direktor LangePLange, Tönjes, 1889–1961, dt. Verleger, Direktor des Springer Verlages in Wien vor einigen Tagen, daß sich die Aussichten infolge der politischen Verhältnisse ganz außerordentlich verschlechtert haben und daß wohl auch eine Befürwortung SchlicksPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick zu spät kommen dürfte. –

Ich bitte Sie nochmals um Entschuldigung. Sobald ich Zeit finde, schreibe ich Ihnen über Ihr ManuskriptB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934– falls Sie es noch wünschen.

Meine Frau und ich grüßen Sie und InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap auf das herzlichste!

Ihr
Karl Popper

Wien, 7. Mai 1933.

Brief, msl., 1 Seite, RC 102-59-61.


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