\brief{Moritz Schlick an Rudolf Carnap, 26. März 1933}{März 1933} %[Wien] 26. März 1933. \anrede{Lieber Carnap,} \haupttext{über die guten Nachrichten von Dir habe ich mich sehr gefreut; vielen Dank für Deinen Brief! Nachträglich auch noch herzlichen Glückwunsch Euch beiden zur Verheiratung! Da dieser Glückwunsch ja ohnehin einige Jahre zu spät kommt, wirst Du diese Verzögerung hoffentlich auch noch entschuldigen. Ich wünsche Dir von Herzen, daß alle Eure Hoffnungen in Erfüllung gehen möchten. Wie gewöhnlich, muß ich wegen meines langen Schweigens um Entschuldigung bitten. Aber seit Weihnachten ist es mir körperlich so schlecht gegangen, daß mir jegliches Schreiben eine rechte Last war. Zu meinem mittelmäßigen Befinden, das noch eine Folge der amerikanischen Krankheit, dann des Winters und der Semester-Anstrengungen war, kamen noch akute Sachen hinzu, so eine unangenehme Zahnbehandlung und, im Laufe von 6 Wochen, nicht weniger als sieben Gallenstein-Anfälle, die mich teilweise furchtbar mitnahmen. Zum Schluß mußte ich sogar ins Bett gehen und meine Vorlesungen einstellen. Jetzt geht mirs aber seit einer Woche sehr viel besser, die Anfälle scheinen aufgehört zu haben und ich gedenke in einigen Tagen nach dem Süden abzureisen; sonst bin ich ja um diese Zeit immer schon längst fort. Mit meinen Arbeiten steht es unter diesen Umständen höchst faul, ich hoffe aber während der bevorstehenden Ruhe an der Adria vieles nachholen zu können. Seelisch ist es mir in diesem Winter in mancher Beziehung überaus gut gegangen, wie seit vielen Jahren nicht, in andern Beziehungen aber habe ich auch viele Sorgen. Ich muß um Vergebung bitten, daß ich Dir in der Rockefeller\II{\rockefellerstiftung}-Angelegenheit nicht schon lange geschrieben habe. Da die Antwort aus Paris nicht erfreulich war, habe ich mich damit nicht beeilt. Die Leute schreiben nämlich (und ich entsinne mich jetzt auch, daß diese Antwort den früheren Gepflogenheiten entspricht), daß die Sache erst geprüft werden kann, wenn ein Vertreter der Rockefeller Foundation\II{\rockefellerstiftung} nach Prag kommt, um die Verhältnisse an Ort und Stelle und in direkter Rücksprache mit Dir zu prüfen. Zum Glück reisen diese Leute ja ziemlich viel herum, sodaß in absehbarer Zeit wohl jemand nach Prag kommen wird. Darüber, wann dies der Fall sein könnte, stand in dem Briefe allerdings nichts. Es tut mir leid, daß mit Springer\IN{\springerjulius} Differenzen entstanden sind. Rechtlich betrachtet kann er Dir und Frank\IN{\frankphilipp} gewiß nichts vorwerfen, aber ich verstehe auch seinen Standpunkt, denn es ist sehr fraglich, ob wirklich viele Leser einer kleinen Broschüre dadurch zur Anschaffung eines größeren Werkes verleitet werden. Es gibt auch sehr viele, die eben nur ganz oberflächlich von einer Sache Kenntnis nehmen wollen, um zu sehen, worum es sich handelt, und die greifen dann zur Broschüre \uline{anstatt} zum Buch. Laß es Dir weiter so gut gehen wie bisher. Grüße Deine Frau\IN{\schlickfrau} herzlich und sei selbst ebenso gegrüßt von Deinem} \grussformel{Deinem\\ M. Schlick} \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/870797}{RC 029-28-30 (Dsl. MS 95/Carn-49)}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. M. Schlick \,/\, Wien IV. \,/\, Prinz-Eugen-Str. 68}, msl. \original{26.\,März 1933}.}