\brief{Rudolf Carnap an Heinrich Schmidt, 20. März 1933}{März 1933} %\{Monistenbund\} %Prag, den 20.März 1933. %An die Schriftleitung der ,,Stimme der Vernunft`` %Herrn Prof. Dr. Heinrich Schmidt %\uline{Jena} %Haeckel-Archiv \anrede{Sehr geehrter Herr Kollege!} \haupttext{Im Jan.-Heft 1933 Ihrer Zeitschrift\II{\stimmevernunft} finde ich einen Aufsatz ,,Pseudofreigeistige Philosophie``\IW{} von C. F. Lossa\IN{\linkepaul},\fnE{Paul Linke siehe unten ???} der uns Vertretern des ,,Wiener Kreises``\II{\schlickzirkel} den Vorwurf macht, wir seien nur scheinbar freigeistig, in Wirklichkeit aber verkappte Reaktionäre. Ich bin überzeugt, daß diese Auffassung auf einer Mißdeutung unsrer Auffassungen beruht. Wir sind ebenso entschiedene Gegner aller Kulturreaktion, wie die Wortführer des Monistenbundes\II{\monistenbund}. Wir lehnen mit Entschiedenheit nicht nur die ganze Theologie ab, sondern auch die moderne deutsche Philosophie, die in hochtönenden, aber leeren Worten eine Metaphysik aufbaut, die kulturgeschichtlich betrachtet nichts anderes als verkleidete Theologie ist. Die Mißdeutung unsres Standpunktes in einer Zeitschrift, mit deren Hauptzielen wir übereinstimmen, bedaure ich um so mehr, als in den gegenwärtigen schlimmen Zeiten alle, die in den Hauptpunkten einig sind, zusammenhalten müßten und daher mehr die Übereinstimmung als die Differenzen, die hie und da in einzelnen Punkten bestehen mögen, betonen sollten; das wird ja auch in Ihrem Aufruf betont. Ich würde es nun für gut halten, wenn es mir ermöglicht würde, in Ihrer Zeitschrift die Mißverständnisse zu beseitigen. Ich möchte dabei nicht eine Polemik weiterführen, sondern nur auf den wirklichen Sinn unsrer Auffassung hinweisen und zeigen, daß kein Gegensatz, sondern eine Verwandtschaft zwischen unsern und Ihren Bestrebungen besteht. Falls Sie damit einverstanden sind, daß ich in diesem Sinne in Ihrer Zeitschrift\II{\stimmevernunft} etwas schreibe\IC{\theoretischefragen}, bitte ich um Mitteilung des hierfür etwa verfügbaren Raumes. Ich wäre Ihnen sehr dankbar für Zusendung eines Ex. des genannten Heftes; ferner auch der dort genannten Hefte 8, 10 und 12 von 1932 mit den früheren Aufsätzen von Lossa. Ich habe am 3.\,März an die Geschäftsstelle des Monistenbundes\II{\monistenbund} in Hamburg geschrieben und um Zusendung von Werbeschriften über den Bund gebeten; ich habe aber bisher nichts bekommen. Ich hoffe, daß in Hamburg nicht ,,höhere Gewalten`` eingegriffen haben.} \grussformel{Mit vorzüglicher Hochachtung\\ \blockade{ksl.}} \ebericht{Brief, Dsl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/807867}{RC 029-03-04}; Briefkopf: msl. \original{Prag, den 20.\,März 1933 \,/\, An die Schriftleitung der ,,Stimme der Vernunft`` \,/\, Herrn Prof. Dr. Heinrich Schmidt \,/\, Jena \,/\, Haeckel-Archiv}.}