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Sehr geehrter Herr Professor!
Letzten Montag erwähnte ich Ihnen eine Idee für eine mögliche Umformung von deskriptiven Sätzen, wodurch solche Sätze keine Funktoren und keine Gleichungszeichen sondern nur Zahlzeichen (und Klammern und Beistriche) enthalten würden. Seitdem habe ich einerseits eine Antwort zu Ihrem Einwand gefunden, aber andererseits bin ich überzeugt worden, daß solche Umformung weniger wichtig sein würde, als ich zuerst gemeint hatte.
Zuerst werde ich die Idee selbst kurz abreißen. Denken wir uns die Qualitätsarten (z. B. „Temperatur“, „Farbe“) untereinander irgendwie geordnet und durch Zahlzeichen dargestellt, genau so wie Sie die Qualitäten selbst unter einer bestimmten Art (z. B. die verschiedenen Temperaturen) schon betrachtet haben. Vorausgesetzt Einfachheit halber, daß jede Qualität von gegebener Art durch eine natürliche Zahl ausdrückbar ist, dann können wir jetzt jede Qualität von beliebiger Art durch ein Zahlpaar ausdrücken, wo die erste Zahl die Qualitätsartzahl ist und die zweite die Qualitätszahl unter dieser Art ist. Sei z. B. „Farbe“ durch „9“ gezeichnet, und habe Blau (einer gewählten Helle usw.) die Farbezahl \(5\), dann wird Blau durch das Paar „\(9‚5\)“ ausgedrückt; die Temperatur 5\(^\circ{}\) andererseits wird „\(6‚5\)“, wo \(6\) die Qualitätsartzahl für Temperatur ist. Nun können wir für die Aussage, „Blau tretet am Punkt auf, dessen Koordinaten \(6‚9‚3\) sind‚“ die Schreibweise „Blau\((6‚9‚3)\)“ gebrauchen; da Blau durch „\(9‚5\)“ ausgedrückt wird, diese Aussage wird „\((9‚5)(6‚9‚3)\)“. Entsprechend wird die Form „\(t\,(x‚y‚z)=n\)“, wo „\(t\)“ „Temperatur“ heißt, durch „\((m‚n)\,(x‚y‚z)\)“ ersetzt, wo \(m\) die Qualitätsartzahl für Temperatur ist. Hier kommen Funktoren und das Gleichungszeichen gar nicht vor.
In Antwort zu Ihrer Frage, wie man denn Sätze von der Form „\(t(a‚b‚c) = t(x‚y‚z)\)“ ausdrücken könnte, bringe ich die Form
\(\exists{}n\,[(m‚n)\,(a‚b‚c) \cdot{} (m‚n)\,(x‚y‚z)]\)
vor, wo \(m\) so wie oben die Qualitätsartzahl für Temperatur ist. Wenn es gewünscht wird, den Operator \((\exists{}n)\) nur in der beschränkten Form anzuwenden, dann liegt es uns nur, eine hinreichend große Beschränkungszahl zu wählen.
Diese Umformung scheint mir aber weniger Wichtigkeit zu besitzen, als ich zuerst glaubte. Es scheint jetzt keine Ausdehnung Ihrer Methode sondern nur ein Anschlag zu sein, wodurch Funktoren durch Prädikate ersetzt werden können; und dies hat keinen offenbaren Vorteil über Ihrem Verfahren, welches Prädikate durch Funktoren ersetzt. Die Einführung von Zahlen für die Qualitätsarten ist nur ein Detail der obigen Entwickelung, und führt natürlich nur eine flache Notationsänderung ein.
Ihr ergebener
Willard V. Quine
Brief, msl., 1 Seite, WQ; Briefkopf: msl. Prag, den 8. März 1933; Brieffuß: msl. Herrn Prof. Dr. Carnap.