\brief{Herbert Feigl an Rudolf Carnap, 28. Februar 1933}{Februar 1933} \blockade{Brief beginnt ohne Anrede, Seitenzahl hsl. 3, Datum mit Bleistift von Carnap \original{Feigl, 24.2.1933}} Blumberg\IN{\blumberg} hat dir wohl geschrieben, daß er die Semantik\IC{\logischesyntax} \uline{übersetzen}\IW{} möchte. Er selbst hat mit einem Harcourt-Brace Co\II{\harcourtbrace} Vertreter über Publikation in der ,,\uline{Ogden}-Sammlung``\II{} (dieselbe, in der der Tractatus\IW{\tractatus} erschien, in England: Kegan Paul\II{\keganpaulverlag}) gesprochen. Falls er keinen Erfolg hat, könnte Schlick\IN{\schlick} an Ogden\IN{\ogden}\fnC{Ogden, in seinem Buch: ,,The meaning of Psychology`` (Harper Brothers, London, NY.) ,,löst`` das psychophys[ische] Problem durch ,,Zwei-Sprachen-theorie`` (introsp. behav.) -- dürfte also interessiert sein\\ natürlich recht oberflächlich, aber ganz vernünftig} schreiben und vielleicht darauf hinweisen, daß Deine Arbeit in seine Sammlung am besten passen würde. (Wittg[enstein]\IN{\wittgenstein}, \blockade{Nicod}\IN{}, Ramsey\IN{\ramsey} etc. sind drin!) Sehr erfreut über deine Nordlandsreise! Hoffe mündlich mehr darüber zu hören! Sehr gut, daß wir international werden. Sehr befriedigt, gleichfalls, über Deine hochanständige und sachliche Haltung in der Wittgensteinaffäre. Deine Interpretation seiner Einstellung scheint mir richtig. Bei W[ittgenstein]\IN{\wittgenstein} wiegt persönliche Sympathie und Antipathie mit (gegen) Lebens- und Arbeitsformen so viel, daß jeder sachliche Gesichtspunkt völlig belanglos wird. Sein Eindruck mag sein, daß Dich einige der nebenbei erwähnten Resultate u. Einsichten ,,nichts gekostet`` haben, während er gerade um diese Dinge schwer gerungen hat. Mit Genies ist's halt ein schweres Leben! Ich bin froh, daß nun auch Schlick\IN{\schlick} objektiv urteilt. Ich habe Dich ihm\IN{\schlick} und Waismann\IN{\waismann} gegenüber im Sommer noch sehr verteidigen müssen. Wenn Wittg[enstein]\IN{\wittgenstein} mit seinem neuen Tractatus\IW{} wieder eine Glanzleistung erzielt, wirst Du gewiß der erste sein, der das sachliche daran voll anerkennt. Schlick\IN{\schlick} schreibt, Waismann\IN{\waismann} sei beinahe fertig -- ? \neueseite{} Bitte verzeih, daß ich meine Schuld (52.50 Mk) noch nicht beglichen habe. Für die Übersendung der ,,Erk.`` bin ich sehr dankbar. Leider habe ich \blockade{vor} Wien keine Gelegenheit das Geld nach Mü[nchen] zu überweisen, kann es aber wohl von hier per Postanweisung nach Mü[nchen] v Prag schicken. \blockade{gestrichener Abschnitt? Einfügung vom 28.\,III.33} Ich habe mir die \blockade{?} V., sowie Deine\IC{} (und auch Neurath's\IN{\neurath}) ,,Erkenntnis``\II{\erkenntnis}artikel\IW{} sehr gründlich überlegt. Vieles ist mir weit klarer geworden, als im Sommer. Die Darstellung in \blockade{Sem.} V. ist sehr gut, ich habe nichts daran zu kritisieren. -- Ich halte deine Stellung für 1. widerspruchsfrei, 2. interessant, 3. fruchtbar.\fnC{verzeih' die kateg. Vermischung} -- Aber -- mein Eindruck ist, daß die wirklich grundlegenden Fragen (vorläufig zumindest) verdrängt worden sind. Das Gute ist nur, daß sie sich \uline{als} semantische Fragen stellen lassen werden: z.\,B. Fragen nach den Gründen \uline{diese} und nicht eine \uline{andere} empirische Sprache (Symbolsystem) zu wählen. Die Konventionen, die die ,,Sinnerfülltheit`` definieren, wären explizit herauszustellen und in schwierigen Problemen (z.\,B. Relation der Protokollsprache zur Syst.sprache) genau zu erörtern. Ich hoffe Dir darüber bald mal ausführlicher zu schreiben. Auch über ,,\uline{Erläuterungen}`` (= praktische Winke, Imperative) um die auch Du (und N[eura]th\IN{\neurath}) \uline{nicht herumkommt.} Die Psychologie (über die ich einen Kurs halte) macht mir noch weiter etwas Kopfschmerzen. Trotzdem habe ich von Euch viel gelernt u. akzeptiert. Ihr werdet natürlich wieder ,,Metaphysik`` wittern -- was kann man da machen? \neueseite{} Nebenbei: ich bin dafür ,,S\uline{ph}äre``, und nicht ,,Sfäre`` drucken zu lassen, solange du nicht ,,Filosofie`` schreibst. Einen Punkt möchte ich doch jetzt schon berühren: (ich drücke es teilweise in der traditionellen Weise aus, aber Du wirst mich verstehen:) \uline{Gehaltgleichheit} zweier Sätz kann doch analytisch \uline{oder} synthet[isch] Sein! Z.\,B. $p \supset q$ und $\sim p \vee q$\blockade{unsicher, ob p da stimmt} sind \uline{analyt}. gehaltgleich (per Def.). Aber der \uline{Protokoll}satz: ,,Ich denke jetzt an den unverbesserlichen Materialisten Neurath`` ist doch nur synthet[isch] gehaltgleich mit dem intersubj[ektiven] \uline{System}satz, der über meine Gehirnprozesse spricht. Denn es ist doch Sache höchst schwieriger Forschung den betreffenden Gehirnzustand zu isolieren. Nur wenn Du dich von vornherein auf den physikalist[ischen] Standpunkt stellst (d.\,h. die Protokollsprache \uline{gleich} als Teilsprache der physikalischen behandelst, was ja auch N[eura]th\IN{\neurath} tut) dann freilich ist die Sache nicht anders als bei: ,,Die Stütze ist fest`` und der entsprechenden ,,Mikrobeschreibung.`` (Übrigens liegt auch in diesem einfachen Fall nicht glatte Äquivalenz vor. Das ganze Problem: Hypothese $\supset$ Satz, kommt hier hinzu.) -- Das ganze Argument hätte sich also um das Dogma des Physikalismus zu drehen. Ich glaube, daß ich die Ablehnung der inhaltl[ichen] Redeweise nun verstehe und akzeptiere und trotzdem einen Unterschied zwischen phänomenaler und physikalischer Sprache (der dann wieder rein syntaktisch wäre) machen möchte. Die Syntaxregel nun, derzufolge wir übersetzen dürfen (phä. \blockade{symbol} phys.) muß m.\,E. \uline{gerechtfertigt }werden. Es liegt keine rein formale Identität zwischen den zwei Sprechweisen vor wie in \blockade{Formel}. \neueseite{} Ich möchte nochmals betonen, daß ich weiß, daß Deine Stellung unangreifbar ist, wenn Du \uline{nur} die intersubjektive Sprache als legitim zuläßt (und dementsprechend die Protokollsprache als Teilsprache der Systemsprache \uline{definierst} (!)). Ich gebe sogar zu, daß man so vorgehen \uline{muß} -- (und jeder Wissenschaftler solange er \uline{Wissenschaft} treibt, \uline{tatsächlich} so vorgeht) -- wenn man die logische Rekonstruktion der Universal- oder \uline{Einheits}wissenschaft unternimmt. -- Und trotzdem -- meine phänomenale Beschreibung und die physikalische Beschreibung meiner Nervenprozesse -- kann \uline{ich }(nicht Du!) \uline{beide} \uline{verstehen. }(d.\,i. die Wahrheitsbedingungen angeben) \uline{ohne} doch ihren ,,Sinn`` (= Wahrheitsbedingungen) identisch zu finden.\fnC{Ist hier ,,inhaltlich formuliert. Läßt sich aber semantisch \uline{so} ausdrücken, daß aus der phänomenalen Beschreibung nur Sätze ableitbar (= tautologisch impliziert) sind, die wieder nur phänomenale Ausdrücke enthalten, nicht aber physikalische.} Daß das Tastfrühstück mit dem Sehfrühstück \uline{gleichzeitig} kommt (was Whitehead` s\IN{\whitehead} Verwunderung erregte), ist unter Voraussetzung normalen physiologischen Funktionierens des Dr. Whitehead\IN{\whitehead} aus der physikalischen Situation \uline{deduzierbar}, d.\,h. \uline{in} der \uline{System}sprache sind gewisse ,,taktile`` und ,,visuelle`` Strukturaussagen einfach analytisch äquivalent. Das ist aber nur der Fall, weil ich durch induktive Konstruktion (Theoriebildung, oder wie Dingler\IN{\dingler} einmal ganz gut sagte: ,,übergreifende Begriffsbildung``) erst zur einheitlichen Systemsprache hinaufgestiegen bin. -- Oder: daß trigonometrische (optische) indirekte Längenmessung äquivalent mit direkter Längenmessung (Maßstab anlegen) ist, kommt aus den Axiomen der Physik analytisch heraus -- ist aber ursprünglich auf synthet[ischen] Sätzen aufgebaut. -- Ich erwähnte diese beiden \neueseite{} Beispiele nur zur Illustration dessen, was ich mit der ungerechtfertigten glatten Äquivalentsetzung zweier Beschreibungen meine. Die Äquivalenzen sind empirisch -- wie sich durch zurückgehen auf die atomic propositions immer zeigen läßt. Darum sind ja auch physikalische Definitionen und Systemsätze (als echte Produkte von Induktionen) immer nur bis auf Widerruf gültig. -- Ob das \uline{erste}\fnC{Das zweite sicher nicht} Beispiel (Frühstück) auch darüberhinaus als analoger Fall zur Beziehung \{Phänom\,/\,Physikal\} betrachtet werden kann, bezweifle ich selbst. Vielleicht liegt der (für soviel Denker mysteriöse) Charakter der Beziehung des Privaten zum Intersubjektiven gerade in seiner Einzigartigkeit, die ja Vergleichsmöglichkeit und darum begriffliche Faßbarkeit ausschließt. -- Aber das ist bereits Metaphysik, für die Du ja kein Organ hast! -- Alles hängt davon ab, ob Deine Argumentation in Erk. II, 5, 6 S.\,453-461\IC{\physikalischesprache}, stichhaltig ist oder nicht. (Ich habe Dich noch nie so dialektisch-pfiffig gefunden, wie dort.) \uline{Beide }Thesen: Gefahr der inhaltl[ichen] Redeweise und Protokollsprache $\subset$ Syst.spr. sind dort zweifellos \uline{sehr} plausibel gemacht, aber eine \uline{direktere} Begründung wäre \uline{ungemein erwünscht}! Nochmals möchte ich sagen, daß mir deine Resultate völlig korrekt scheinen, falls man nur \uline{Wissenschafts}analyse als das Ziel betrachtet. Wissenschaft ist intersubjektiv und Deine Analyse der Psychologie (ind. ,,verstehende``, charakterologische, grapholog. etc) ist -- je mehr ich sie mir überlege -- \uline{völlig} überzeugend. Aber den \uline{,,Weltknoten``} hast Du weder gelöst noch durchhauen. Du hast ihn nur noch -- deutlicher sichtbar gemacht, -- was ja ein großes Verdienst ist. Ich weiß, daß du es ablehnst, über das -- zugestandenermaßen -- \uline{Unaussprechbare} zu ,,sprechen`` (d.\,h. natürl[ich] durch bewußt \uline{un}vollkommene Bilder und Metaphern anzudeuten und zu \uline{um}schreiben --), ich weiß auch, \neueseite{} daß solche Betätigung zu \uline{nichts} (,,Sagbarem`` im str[engen]\blockade{strikt ginge auch} Sinn) führt -- und in \uline{diesem} Sinn von Träumen und Musizieren nicht prinzipiell verschieden ist. Und doch kann ich dieses Springen über den eigenen Schatten nicht lassen. \uline{Die Kontemplation dieser Welt und der Art wie wir einerseits als kausal eingewebte Teilprozesse, andererseits als mit ,,Sinn``erkennende, ,,Regelverstehende`` [\blockade{die} Wittg.\IN{\wittgenstein} neuste metaphys. Idee] Wesen in diese Welt eingebettet sind -- hat für die Metaphysiker aller Zeiten (wenn ich sie richtig kapiere) den großen Anreiz gegeben zu spekulieren. Ich persönlich bleibe bei der Kontemplation und glaube sogar -- gerade aus den ,,erschauten`` Einbettungsverhältnissen heraus die Sinnlosigkeit jeder konstruktiven Spekulation ,,einsehen`` zu können.}\fnC{Driesch: ,,Die Ordnungslehre gibt sich auf -- um \uline{mehr} Ordnung zu schauen.`` Aber die Metaphysik sieht, daß alle symbolisierbare Ordnung schon in der Wissenschaft ausdrückbar ist.} Sind diese Zeilen bloßer Quatsch für Dich? Oder bloß ein psychopathisches Symptom betreffend den Zustand Deines Freundes H.F.\IN{\feigl}? Falls \uline{so,} dann werde ich Dich weiter nicht mehr mit Metaphysik behelligen. Ich wollte nur noch einmal (wohl den letzten) Versuch machen, Dir die \uline{quasi rationalen} Schmerzen des Metaphysikers zu veranschaulichen. Genug davon! -- Der nüchterne Niederschlag dieser Exkursion ist ja nur folgende Frage: selbst wenn man den \uline{Physikalismus} der \uline{Wissenschaft} zugibt (was ich emphatisch tue!) und selbst wenn man die praktische Begrenztheit, Unschärfe, Leistungsunfähigkeit und Monologizität der phänomenalen Sprache zugibt (was ich ebenfalls nur unterstreichen möchte!) -- Kann man oder muß man nicht trotzdem die Dualität der beiden Sprachen anerkennen? Es ist wahr -- die Dualität \neueseite{} verschwindet vollkommen sobald wir ,,alles`` \uline{entweder} in der einen \uline{oder} in der anderen Sprache ausdrücken. Aber hier entstehen eben die Probleme: (1.) Läßt sich ,,alles`` in der solipsistischen Sprache ausdrücken? (2.) `` ,,``,,```` physikalischen ,,``? Die Konst.theorie hat im Prinzip gezeigt, daß (1) zu bejahen ist, Deine letzten Artikel, daß dasselbe für (2) der Fall ist. Aber die Tatsache, \uline{daß} beide Sprachen äquivalent sind, ist \uline{nicht} selbstverständlich. Die Äquivalenz kann sobald wir uns \uline{in} der einen oder anderen Spr[ache] befinden -- durch definitorische Identitätssetzungen -- \uline{analytisch} gemacht werden, aber sie ist nicht analytisch von Haus aus. Trotzdem handelt es sich nicht um \uline{ordinäre} empirische Äquivalenz: Die Beschreibung einer Welt, in der die Äquivalenz nicht gälte, könnte \uline{nur} solipsistisch -- aber nicht physikalistisch gegeben werden. Sie würde in der physikalistischen Beschreibung (bestenfalls) nur in ganz sonderbaren Abweichungen vom Determinismus (der biolog[ischen] Vorgänge in Nervensystemen etc.) zum Ausdruck kommen. -- Du wirst Dich vielleicht an \uline{Schlick's}\IN{\schlick} Bemerkungen zum prinzipiellen Behaviorismus erinnern. Diese habe ich hier im Auge.\fnC{Durchbrechung des ,,Parallelismus``, Fortleben der ,,Seele`` (Erlebnisstromes) nach Zerstörung des Gehirns. Immer 2 Möglichkeiten: entweder: objektiv \uline{gar} keine Änderung (\uline{in}tersubj. sinnlos) -- oder: Wunder (=Indeterm)} Grob gesagt: Der Glaube an eine Welt, in der Äquivalenz nicht gilt, ist weder widerspruchsvoll, noch (solips[istisch]) sinnlos -- kommt aber (in der einen Interpretation) im physikalistischen Sinn auf einen Wunderglauben ärgster Sorte hinaus. Unsere Welt hat eben als eine ihrer allgemeinsten ,,Eigenschaften`` (metaphysische Eig[enschaften] wenn Du willst) neben Gesetzmäßigkeit, 4-Dimensionalität etc auch die Äquivalenz der beiden Sprachen -- Ich weiß sehr wohl, \neueseite{} daß ich nicht von ,,Eigenschaften`` reden sollte. Es sind eben Züge der Welt, die sich nur semantisch, d.\,h. im ganzen Symbolsystem spiegeln -- nicht aber in Sätzen der \uline{ersten} Sprache ausgedrückt werden können. Wittgenstein\IN{\wittgenstein} hat ganz recht, wenn er sagt, daß sich nicht \uline{alles} sagen läßt -- d.\,h. aber eben nur in der ersten Sprache. Ich weiß, daß \uline{Du} es trotzdem als geographischen Satz über Zeichenverknüpfung ausdrücken kannst -- somit wieder in der ersten Sprache -- aber \uline{das} dürfte W[ittgenstein] kaum bestreiten. Was mir jetzt an der These Wittgenstein's\IN{\wittgenstein} so plausibel scheint, ist, daß sich die wesentlichen Züge der Welt darin \uline{zeigen}, wie wir den symbolischen Rahmen wählen und mit ihm operieren, nicht aber als Aussagen \uline{über die Welt} formulieren lassen: Man kann wohl (mit Einstein\IN{\einstein}) sagen: die Welt ist endlich -- nicht aber: die Welt ist monistisch oder dualistisch, psychisch oder physikalisch -- was daran ,,sinnvoll`` ist \uline{zeigt} sich in der Welt des Symbolsystems und in den Operationen der Verifikation. -- Vorhin gab ich ein Beispiel, das die logische Äquivalenz der beiden Sprachen als Zufall erscheinen läßt (die solipsistisch formulierbare mehr-eindeutige Zuordnung von ,,Erlebnissen`` zu ,,Gehirnprozessen`` [mit Cerebrokop verifizierbar]) -- Hier ist noch ein anderes lustiges Beispiel, das den Parallelismus zwar intakt läßt, aber auf andere mögliche prinzipielle Diskrepanzen zwischen subjektiver und intersubj[ektiver] Sprache hindeutet: \neueseite{} Nimm an, die Biologen könnten eine \uline{Großhirnrinde in einer Nährlösung} erhalten und ihr sowohl alle Reizarten zuführen als auch von ihr alle motorischen Impulse ableiten, sodaß man diesem Cortex eine ganze ,,Biografie`` vortäuschen könnte! (-- Wir Philosophen dürfen von den technischen Schwierigkeiten absehen.) -- Dieser unglückliche Cortex würde unter der Illusion leben, daß es eine ,,Außenwelt`` gibt, eine Weltreise zu machen, Kinder zu kriegen, Bücher zu schreiben etc -- und es gäbe für ihn keine Möglichkeit sich vom ,,wahren`` Sachverhalt zu überzeugen. -- Nun brauchst Du mir natürl[ich] nicht zu sagen, daß es wüste Metaphysik ist, über die ,,Erlebnisse`` des Cortex zu reden, außer man \uline{meint} mit dieser Sprechweise die intersubjektiv verifizierbaren Nervenprozesse. Auch ist es klar, daß es -- selbst wenn wir ,,uns in den Cortex versetzen`` -- unter den gegebenen Bedingungen sinnlos ist, nach der ,,wahren`` Welt zu fragen, wenn gerade jene Bedingungen (= Einbettungsverhältnisse) diese Frage unbeantwortbar machen. Was ich zeigen wollte, ist ja nur, daß die Sinnlosigkeit -- die sich innerhalb der Sprache als Syntaxverletzung darstellt -- von der ,,ontologischen Einbettung`` abhängt -- sobald man die Sache von ,,beiden Seiten`` beguckt\fnC{Was zugegebenermaßen nur der liebe Gott kann (ha, ha!).--}. Bitte tu mir den Gefallen und überleg` Dir die Geschichte mal so recht anschaulich! Bleibt da nicht doch selbst bei Dir ein kleiner metaphysischer Rest übrig? Aber nun genug. -- Ich werde trotz allem noch lange nicht unter die Metaphysiker gehen. ,,Sagen`` läßt sich ja wirklich nichts vernünftiges. \neueseite{} \uline{28. März 1933} Nun ist wieder ein Haufen Zeit vergangen und ich habe diesen unmöglichen Brief noch immer nicht abgeschickt. Ich war gerade in letzter Zeit ungeheuer beschäftigt. -- Bitte verzeih! -- Unterdessen kam Dein Brief vom 28.\,II. -- Herzlichste Glückwünsche zur Vermählung! Wir wünschen Euch von Herzen das Allerbeste und können Euch versichern, daß bei \uline{uns} das Faktum des Ehekontrakts bisher keine störende Wirkung gehabt hat. Wie sollte auch eine bloß analytische Umformung empirische Konsequenzen haben? Ich hatte keine Ahnung, daß N[eura]th\IN{\neurath} in NY war. War er etwa auch in Chicago? Dort hätte ich ihn treffen können. -- Hoffentlich kriegst Du die Rockefeller F[oundation]\II{\rockefellerstiftung} -- Adresse \uline{Thorndike\IN{\thorndike}}: Dept. of Psychology Columbia Univ. N.Y. City. Neurath's\IN{\neurath} ,,Psychol.``\IW{\neuratheinheitswissenschaftbuch} erhalten. Furchtbar \uline{schlecht} dargestellt. Mit seinem tendenziösen Stil und seinen halsbrecherischen Begründungen wird er der Sache nur schaden. Die Sache ist eh` akademisch, der Durchschnittspsychologe versteht doch nicht worum sich's handelt, also wozu die barbarische Gewalt? Soll er lieber den Hitler\IN{\hitler} in die Luft sprengen. Das ist dringender in Europa als die physikalist[ische] Denkweise in der Psychologie, die jeder anständige Wissenschaftler praktisch ohnehin anwendet. -- Wir sind tief entrüstet über die Nachrichten aus Deutschland. Hoffentl[ich] bleibt Österreich neutral. -- \uline{Blumberg}\IN{\blumberg} habe ich geschrieben. Noch keine Antwort. (Nebenbei: Blumberg\IN{\blumberg} ist unter die Kommunisten gegangen, dazu gehört in USA noch einiger Mut. Er macht aktive Propaganda in Washington, Baltimore etc. --) \ebericht{Brief, hsl., 12 Seiten (9 hier transkribiert), \href{https://doi.org/10.48666/848764}{HF 02-69-01}.}