\brief{Ina Carnap an Carl G. Hempel, 31. Jänner 1933}{Jänner 1933} %prag, den 31.1.1933. \anrede{lieber kleiner hampelante,} \haupttext{noch habe ich auf ihren brief vom 1.\,1. nicht geantwortet, und schon kommt wieder ihr schreiben vom 22. ich will zunächst das letztere beantworten. ja, c[arnap]\IN{\carnap} war wirklich über weihnachten in wien im spital, ist aber seit 28.\,dez. wieder hier und von mir schon ganz gesund gepflegt und betreut worden. die sache sah zunächst schlimmer aus, weil die ärzte in wien dachten, es sei ein neuer tbcprozess in der lunge im gang. aber die neuerliche untersuchung und röntgenaufnahme hier haben nichts derartiges ergeben. wenn das geld reicht, fahren wir, resp. c[arnap]\IN{\carnap} allein, in den semesterferien auf einige tage zur erholung weg. aber sonst können sie schon ganz beruhigt sein, c[arnap]\IN{\carnap} hat sogar schon die übliche grippeschlappheit vorüber, hat schon brav vorlesungen gehalten und beginnt am 2.\,febr. mit den semesterferien. und nun zu ihrem ersten brief. ich muß gestehen, daß ich vom ,,fabian``\IW{\fabian} nicht mehr sehr viel weiß. er hat uns beiden beim lesen gut gefallen, und deshalb hatten wir ihn als ,,verschenkbuch`` notiert. von carnaps\IN{\carnap} wiener aufenthalt und gesprächen kann ich ihnen leider nicht viel berichten; denn aus dem für ihn wichtigsten, einer diskussion der semantik\IC{\logischesyntax} im zirkel\II{\schlickzirkel}, wurde wegen seiner erkrankung nichts. schlick\IN{\schlick} hat inzwischen eingesehen, daß c[arnap]\IN{\carnap} in der wittgensteinsache\IN{\wittgenstein} doch im recht ist, auch waismann\IN{\waismann} scheint wittg[enstein]\IN{\wittgenstein} da nicht zuzustimmen. über die probleme hat er mit den beiden nicht diskutiert, da zuerst die diskussion im zirkel\II{\schlickzirkel} sein sollte. die beiden haben ihn dann zwar oft im krankenhaus besucht, waismann rührenderweise jeden tag, aber da war c[arnap]\IN{\carnap} zu müde und hatte elendes fieber. für mich waren die tage mit carnaps\IN{\carnap} jungen\IN{\johannes} durch carnaps\IN{\carnap} erkrankung ja nicht so besonders erfreulich. denn einerseits mußte ich wegen des jungen hier bleiben, anstatt sofort nach wien zu stürzen, wie es meinen gefühlen besser entsprochen hätte, und zweitens hatte ich nicht nur meinen kummer und meine sorgen, sondern mußte auch noch immer den jungen trösten, daß der papa nicht da war zu weihnachten, und daß aus der ihm vorher versprochenen skireise ins erzgebirge nichts wurde. bis zu der ankunft des jungen hatte ich mich tatsächlich ein bissle in bücher und probleme vertieft, von denen ich ihnen schrieb, bin aber seither gar nicht mehr dazugekommen. ich weiß nicht recht, woran das liegt; auch c[arnap]\IN{\carnap} kommt vor lauter kramereien schon ein monat nicht zum arbeiten. im großen und ganzen gebe ich natürlich ihren beschränkungsvorschlägen recht! was ich genauer dazu denke, werde ich ihnen schreiben, wenn ich wieder daran gehe. sie guter antworter!! wir haben vor, uns in der nächsten zeit trauen zu lassen. seien sie nicht zu sehr überrascht: es ist ja nur eine formalität und besagt nichts für unser verhältnis. wann haben sie denn nun eigentlich ihre diversen examina?? im sommersemester will ein privatdozent\IN{\quine} von harvard\II{\harvard} (lewisschüler\IN{\lewis})\fnE{Gemeint ist offensichtlich W.V.O. Quine.} für einige wochen nach hier kommen. da bin ich froh, daß c[arnap]\IN{\carnap} wieder einmal ,,männliche ansprache`` bekommt. diesmal in wien wurde ja leider nichts draus. sonst geht alles gut wie immer. ich lerne jetzt brav englisch in einem kurs. sind sie mit mir zufrieden?} \grussformel{sehr herzliche grüße\\ von carnap und von ihrer ina} \ebericht{Brief, Dsl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/848315}{RC 102-14-43}; Briefkopf: msl. \original{prag, den 31.\,1. 1933}.}