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Lieber Carnap‚
Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut, besonders über die Aussicht, Dich nun bald wiederzusehen, nach so langer Zeit. Ich hoffe aber, daß Du länger bleiben kannst als nur „einige Tage“, denn Deine Zeit hier wird wohl durch Verabredungen stark in Anspruch genommen sein. Über meine Stunden im Voraus zu disponieren, ist ziemlich schwer; es ist aber so gut wie sicher, daß ich Dienstags und Freitags von 10 Uhr ab den frei Vormittag frei bin. Jedoch hoffe ich Dich außerdem einmal Nachmittags bei mir zu sehen.
Der Donnerstags-Abends-Zirkel
Nun muß ich Dich aber vor allem bitten, mir wegen meines langen Schweigens nicht böse zu sein. Wenn ich nicht irre, habe ich noch nicht einmal auf den Brief geantwortet, den ich in Südtirol erhielt. Es war nicht die geringste böse Absicht dabei im Spiele, sondern nur meine Lässigkeit, teils auch meine Arbeit und der Umstand, daß ich sozusagen viel in fernen Regionen weilte. Alle, denen ich Briefe schulde, sind gleich schlecht behandelt worden. So habe ich auch seit dem Sommer nicht an Wittgenstein
Mir geht es insofern noch nicht ganz gut, als ich noch an Herzbeschwerden und schlechtem Schlafe leide, insofern aber doch recht befriedigend, als meine Stimmung nicht darunter litt. Im Gegenteil fühle ich mich seit September besonders wohl, um nicht zu sagen: glücklich. In Südtirol war es herrlich, und auch die Wiedereingewöhnung in Wien fiel nicht schwer. Eben bin ich von meiner Londoner Reise zurückgekommen (Rückweg über Paris und Mannheim) und habe schöne Eindrücke heimgebracht. Meine Vorträge
Also ich freue mich wirklich sehr auf Dein Kommen. Bis dahin lebe recht wohl. Bitte grüße Frl. Stöger
Mit den besten Wünschen
Dein
M. Schlick
Brief, msl., 2 Seiten, RC 029-29-01; Briefkopf: gestempelt Prof. Dr. M. Schlick  /  Wien IV.  /  Prinz-Eugen-Str. 68, msl. 3. Dezember 1932.