Besten Dank für Ihren Brief. Es ist sehr gut, daß Sie mir offen und ausführlich geschrieben haben. Gleichzeitig schrieb mir auch NeurathPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath; er meint, daß Ihre „Unabhängigkeit“ doch nicht sicher sei. Mir scheint nun die Sache so zu liegen: N[eurath]PNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath hat in unserm KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis als erster die Unwiderruflichkeit der Prot[okoll]sätze abgelehnt und damit einen wichtigen Schritt zur Überwindung des „Absolutismus“ getan; Sie haben einen Weg zu noch radikalerer Überwindung gezeigt und auch durchgeführt. Die Frage, ob auf irgendeinen Weg ein Einfluß einer N[eurath]schenPNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath Idee auf sie ausgeübt worden ist, scheint mir nun unwesentlich; wesentlich, daß Ihr Weg einen konsequenten Bestandteil Ihres Systems bildet und daher in jedem Fall eine eigene Leistung darstellt. In diesem Sinn habe ich jetzt die verschied[enen] Stellen formuliert, unter teilweiser Benutzung Ihrer Vorschläge. Ich glaube, hierdurch jetzt sowohl Ihnen wie N[eurath]PNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath gerecht geworden zu sein. Ich habe den Unterschied zwischen Ihnen und N[eurath]PNeurath, Otto, 1882–1945, öst. Philosoph und Sozialwiss., heiratete 1912 Olga Neurath und 1941 Marie Neurath stärker hervorgehoben, die Selbständigkeit Ihres Ausgangspunktes betont und gezeigt, daß Sie weiter als er gelangt sind. Ich bin überzeugt, daß Sie befriedigt sein werden.
Ihre Note „Ein Kriterium…“BPopper, Karl R.!1932@„Ein Kriterium des empirischen Charakters theoretischer Systeme (vorläufige Mitteilung)“, Erkenntnis 3, 1932/33, 426-427 will ich sehr gern in der „Erk[enntnis]“IErkenntnis, Zeitschrift veröffentlichen. Ich schreibe darüber an ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach, und bitte Sie, das MSBPopper, Karl R.!1932@„Ein Kriterium des empirischen Charakters theoretischer Systeme (vorläufige Mitteilung)“, Erkenntnis 3, 1932/33, 426-427 dann an ihn zu schicken. Er verfügt über Zeit und Heft der Veröff[entlichungen]. Ich werde ihn bitten, die Note möglichst noch in demselben Heft wie meinen Aufsatz erscheinen zu lassen. Darf ich Ihnen vielleicht noch zwei oder drei unbedeutende Änderungsvorschläge machen? Ich schicke Ihnen das MSBPopper, Karl R.!1932@„Ein Kriterium des empirischen Charakters theoretischer Systeme (vorläufige Mitteilung)“, Erkenntnis 3, 1932/33, 426-427 zurück, für den Fall, daß Sie ändern wollen; das steht Ihnen aber selbstverständlich ganz frei.
1) S. 1 Mitte. SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick sagt nicht „Scheinsätze“, sondern „Anweisungen zur Bildung von Sätzen“ (od. Aussagen). Wollen Sie nicht dies auch stattdessen sagen? Wenn Sie aber doch „Scheinsätze“ sagen wollen, so dürfen Sie es jedenfalls nicht in Anführungszeichen setzen; und besser wohl auch durch den Wortlaut deutl[ich] zum Ausdruck bringen, daß dies Ihre Schlußfolgerung ist; viell[eicht]: „…; sie sind also dann Scheinsätze.“
2) S. 2, Anm. Ich glaube, Sie sollten mich hier ganz streichen, da in meinem späteren AufsatzB1931@„Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“, Erkenntnis 2, 1931, 423–465 eine Auffassung vertreten wird (vgl. Erk[enntnis]IErkenntnis, Zeitschrift II, S. 439 unten, 440 oben), die in dem Punkt der Nichtableitbarkeit der Naturgesetze aus den Beob[achtungs]sätzen genau mit Ihrer hier ausgesprochenen übereinstimmt, jedenfalls von Ihrer Kritik nicht mehr getroffen wird.
3) Ich bin nicht sicher, ob Ihr Terminus „zurückführen“ bezw. „zurückbar“ zweckmäßig ist. Sie bekämpfen die Ansicht, daß die Naturgesetze aus …ableitbar sind. Unter der „Zurückbarkeit“ mag man zuweilen (z. B. Wittg[enstein]PWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. Philosoph) dieses Falsche verstehen. Man kann darunter aber auch die richtige Meinung verstehen, daß die Ng.Naturgesetze keinen Bestandteil enthalten, der nicht in Beob[achtungs]sätze übersetzbar wäre; genauer: daß ein Ng. gehaltgleich ist mit einer (nicht notwendig endlichen) Menge von Beob[achtungs]sätzen. Der Terminus „ableitbar“ würde deutlicher den Induktivismus kennzeichnen.
Mit herzlichem Gruß