Wohnungsfrage in Moskau schwierig. Daher reise ich erst um den 20. Nov. Am 17. Nov. bin ich bei Euch in Prag, spreche im sozialen InstitutIInstitut für Sozialforschung (Sociální ústav Republiky ceskoslovenské pro studium sociálních ved), Direktor Lev Winter.1Zu diesem Vortrag vgl. oben, Brief Nr. .
Da können wir weitere Bruttodiskussionen abführen. Natürlich unter uns, ehe wir was drucken. Nur die Nettodiskussionen gehören vors Publikum. Ich fand nur, daß Du in Deiner Antwort zu wenig genau auf meine präzisierten Bedenken eingegangen bist, die ich doch in Thesen faßte. Z. B. „methodischeramethodischen Solipsismus“, es gibt wohl nicht mehr den Terminus „Fremdpsychisches“, „Eigenpsychisches“ usw. usw. Statt dessen bringst Du etwas, das nicht Deinen alten Standpunkt stützt, sondern ganz andere Bahnen geht. Ich glaube nämlich, daß PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine PopperaKsl. Popper. den Empirismus verläßt. Wenn ich Dich recht verstehe, fällt bei ihm die Sonderstellung des Protokollierenden-Terminus und des Wahrnehmungsterminus weg! Das würde eine ganze Debatte verlangen. Besser wärs doch, PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper oder Du publiziertbpublizieren eine so grundsätzliche Sache kurz in der ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift, statt daß nun etwas erscheint, und zwar in einer Aussprache, auf das man neuerlich antwortenbKsl. nein!. müßte, weil es früher nicht vertreten wurde.
Mir ist die Filiation PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper- nicht wesentlich, aber ich erscheine nicht gern literarisch Arm in Arm mit jemandem, von dem ich nicht sicher bin, daß das ein zweiter NatkinPNatkin, Marcel, 1904–1962, poln.-fr. Fotograf ist. Soll ich mich dann wehren und sagen: Nein, ich glaube, daß das nicht mit meinen Gedanken übereinstimmt, im Gegenteil …usw.? Das sind taktische Erwägungen, die Du etwas weniger anstellst als ich. Du bist, ehe das Gegenteil feststeht, in gütiger Weise bereit, jedem Dein Ohr zu schenken und ihn für im ganzen vernünftig zu halten. Aber nichts für ungut. Mir ist ungemütlich. Einfach ungemütlich. 🕮
Übrigens erscheint PopperPPopper, Karl Raimund, 1902–1994, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Josefine Popper demnächst im GomperzzirkelIGomperz-Zirkel oder -Kreis und ich werde ihn wohl auch sehn. ZilselPZilsel, Edgar, 1891–1944, öst.-am. Philosoph und Soziologe hielt über EddingtonPEddington, Arthur Stanley, 1882–1944, brit. Physiker ein mir wenig erfreuliches Referat. Scheinbar voll Ressentiment gegen den Wiener KreisISchlick-Zirkel, Wiener Kreis und vor allem gegen mich. Na schön.
Muß ich für Zwecke der Realwissenschaften zwischen syntaxwidrigem Quatsch (eine Verdoppelung gelber Integrale ergibt weiße Tugenden) und kontradiktorischen Sätzen einen Unterschied machen? Lassen sich nicht beide zusammen behandeln? Sag ein paar weise Worte dazu. Was in Deiner Abschlachtung der MetaphysikB1931@„Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache“, Erkenntnis 2, 1931, 219–241 drüber steht, kenne ich.
Wie steht es nun „wirklich“ mit Deiner Meinung über „Ich“ und „Du“, die in Deinem ArtikelB noch vorkamen?
Bitte schau zu, daß unsere beiden DruckeBNeurath, Otto!1932@„Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 204-214B1932@„Über Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 215–228 zusammen als Separata uns zugehencKsl. (Zusammengeheftet? Dafür bin ich nicht!).– aber jedem 50!!! – damit wir sie zusammen versenden können. Natürlich müssen sie im selben Heft erscheinen. Oh ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph. Der Schwierigkeitmacher. Du meinst ja immer, ich hätte schon zu viel Ressentiment gegen ihn. Jedesmal ärgere ich mich, wenn ich Deinen Namen kleiner gedruckt auf der ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift sehe als seinen –
Der PsychologievortragBNeurath, Otto!1932@„Einheitswissenschaft und Psychologie“ (= Bericht zu dem Vortrag am 14.X.1932 im Verein Ernst Mach), Erkenntnis 3, 1932/33, 233-234 wirkte sehr belebend. Morgen bin ich mit PappenheimPPappenheim, Martin, 1881–1943, öst.-israel. Neurologe und Psychiater zusammen. Er will meinen ArtikelB mit mir durchsprechen. Was macht die SemantikB1934@Logische Syntax der Sprache, Wien, 1934? Gekürzt in der FranksammlungI Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung, BuchreihePFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank ist sie mir lieber als ungekürzt sonst wo in der Welt!
Wann kommt Dein Psychologieaufsatz?B1932@„Psychologie in physikalischer Sprache“, Erkenntnis 3, 1932/33, 107–1422Carnap, „Psychologie in physikalischer Sprache“. Ich möchte ihn gern noch zitieren.
Könnte ich nicht in Prag in kleinerem Kreise über konkrete Aufgaben der einheitswissenschaftlichen Arbeit etwa am Nachmittag reden?3Beim eingangs erwähnten Vortrag Neuraths am 17. November war Carnap nicht in Prag; vgl. unten, Brief Nr. .
Du! Ich bekomme 1000 Tschechische Kronen für meinen Prager VortragB. Könntest Du mir hier in Wien dafür Schilling geben? 🕮{}Du hattest einmal, glaube ich, ein Interesse daran.
Sende dem MundaneumIMundaneum Institut Den Haag alles, was Du an Separata hast, auch die von der ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift. Ich werde Deine Arbeiten zusammen binden lassen. Es ist große Nachfrage. Meine Bibliothek ist nicht die des MundaneumsIMundaneum Institut Den Haag. Ich richte jetzt kleine einheitswissenschaftliche Kurse ein. Es soll feste gearbeitet werden. Eine BühlerpsychologinPJahoda, Marie, 1907–2001, öst.-brit. Sozialpsychologin, verh. mit Paul Lazarsfeld1Marie Jahoda. ist jetzt bei uns eingetreten, die wird auch allerlei vorwärts bringen, hoffe ich.4Gemeint ist Marie Jahoda, vgl. unten, Brief Nr. .
Es ist nett, daß Ihr mit Franks PFrank, Hania, 1894–1967, geb. Gerson, verh. mit Philipp FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frankzusammenkommt. Es ist schön, daß in Prag ein Zentrum entsteht. Ich will jetzt Mundaneum-Prag-NebenstelleI einrichten. Amsterdam ist im Gang. In Berlin Aussprache mit Individualpsychologen, wie ich Dir schon schrieb.
Menschlich ergeben sich viele erfreuliche Beziehungen, besonders mit der jungen Generation. Aber es ist eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen, die durch uns bewegt wird. Auf der anderen Seite erregen wir viel Ressentiment, die Metaphysik ist eben sehr eingewurzelt.
Grüß InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap, alles Gute