Ich bitte einigermaßen drängend, mir die Korrektur meines ArtikelsBNeurath, Otto!1932@„Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 204-214 bald zu senden.1Neurath, „Protokollsätze“. Ich muß vielleicht noch vor Mitte Oktober nach Moskau fahren und habe es nicht sehr gern, dort meine Ideologien zu erledigen. Ich bin dort ein technischer Spezialist und enthalte mich aller Argumentationen, die dort im allgemeinen nur zu Differenzen führen. Wenn heute nicht, so morgen, wenn eine Änderung der Linie eintritt. Ich sehe das alles ein. Aber ich ziehe daraus eben die Konsequenz der ideologischen Abstinenz auf alle Fälle und Konzentration auf Technik.
„Hoffentlich“ im nächsten Heft klingt reichlich unbestimmt. Übrigens könnte der ArtikelBNeurath, Otto!1932@„Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 204-214 auf alle Fälle sofort gesetzt werden. Ich möchte nicht wieder erleben, daß mein ProtokollsatzartikelBNeurath, Otto!1932@„Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 204-214 „hinter“ oder „neben“ Deinem ArtikelB1932@„Über Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 215–228 erscheint, in dem Du – was ja sehr erfreulich sein wird – den Faden weiterspinnst, womöglich besser spinnst. Aber die schiefe Situation ist mir nicht angenehm. Das mußt Du begreifen. Wir haben, glaube ich, an einem Mal genug.2Vgl. dazu oben, insbesondere Brief Nr. , und . Und da die Menschen in diesen Zeitläufen offenbar etwas ressentimentlüsterner sind als sonst, müssen wir die entsprechende Prophylaxe ausüben. Es wäre mir lieber gewesen, der Artikel über die ProtokollsätzeBNeurath, Otto!1932@„Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 204-214 wäre mit Deiner sicherlich entzückenden AntwortB1932@„Über Protokollsätze“, Erkenntnis 3, 1932/33, 215–228 gleichzeitig mit den anderen ErwiderungenB1932@„Erwiderung auf die vorstehenden Aufsätze von E. Zilsel und K. Duncker“, Erkenntnis 3, 1932/33, 177–188 erschienen.
Ach ZilselPZilsel, Edgar, 1891–1944, öst.-am. Philosoph und Soziologe! Jetzt liest er nicht nur über die neue Philosophie von uns, sondern auch über –Ethik. Ich fürchte Schlimmstes. Besonders bei seiner Wertschätzung 🕮{}für SchlicksPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick EthikBSchlick, Moritz!1930@Fragen der Ethik, Wien, 1930.3Schlick, Fragen der Ethik.
Apropos SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick. NeiderPNeider, Heinrich, 1907–1990, öst. VerlegeraKsl. Neider. berichtet, daß er tief erschüttert und enttäuscht WittgensteinsPWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. PhilosophbKsl. Wittgenstein. Expressionen zur Kenntnis nahm.4Gemeint sind die massiven Plagiatsvorwürfe Wittgenstein anlässlich des Erscheinens von Carnap, „Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“; siehe vor allem Ludwig Wittgenstein an Moritz Schlick, 8. August 1932, RC 102-78-11, sowie Ludwig Wittgenstein an Rudolf Carnap, 20. August 1932, RC 102-78-03. Weiters vgl. dazu Hintikka, „Ludwig’s Apple Tree“, und Stern, „Wittgenstein, the Vienna Circle, and Physicalism: A Reassessment“. Ja, wenn der Heros zu uns Sterblichen herabsteigt und an der Wasserleitung Streit anfängt …Heu me miserum.5Vgl. oben, Brief Nr. , Anm. . Daß wir Menschen derlei tun, ist ja traurig genug, aber der Göttliche. Wenn so die ganze übersteigerte Asozialität hervorbricht. Selbst erklären, daß alles völlig abgeschlossen vorliegt, selbst niemanden zitieren‚ ein Einsamer auf den Firnen wandelndawandeln– und dann nicht durchhalten können …Ja, so sehen unsere „aristokratischen“ Naturen aus. Was alles durch die jüdische Abkunft noch einen besonderen Schmelz erhält. Aber wahrscheinlich ist er mehr zu bedauern.
Wie nett könnte WittgensteinPWittgenstein, Ludwig, 1889–1951, öst.-brit. Philosoph unter uns leben, wie einer von uns. Er wäre so verwöhnt worden. Gel? Statt dessen ist der der Gott und WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann sein armer Prophet. Der kommt mir immer vor wie die Märchenfiguren, die hin- und hergeschupft werden: Perlike, Perloke! Und jedesmal müssen die Geisterchen hin und her hüpfen, bis sie erschöpft zusammenbrechen. Armer WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann. Da hat sich das richtige Paar gefunden.
Und man könnte so nett miteinander leben. Gelegentliche Exzesse werden auch überwunden, wie man an uns mit Befriedigung feststellen kann. Meine Bonzenressentiments werde ich los, wenn ich schlechte Witze über Deine sonore Stimme und Deinen würdigen Habitus mache, oder wenn ich mich hoch über SchlickPSchlick, Moritz, 1882–1936, dt.-öst. Philosoph, verh. mit Blanche Guy Schlick erhaben dünke, weil der Arme kein Marxist ist. Kurzum, man hat so seine Auswege. Gel?
Ich bin sehr, sehr froh, daß Du endlich diese eklige „Philosophie“ hinausgeschmissen hast und nicht dem strammen Lebewesen, das wir gezeugt haben, diesen verdreckten Namen einer eklen alten Person gegeben hast, die ja, als sie jung war, ihre Meriten gehabt haben mag. „Semantik“ wird heulend 🕮{}zur Kenntnis genommen.
Also, HerzbergPHerzberg, Alexander, 1887–1944, dt.-brit. Mediziner und Philosoph schrieb mir nett, daß man mich gerne sprechencKsl. Vortrag in Berlin. lasse, wenn es pekuniär gehe. Ich habe mit leichter Geste erklärt, daß ich an alles gewöhnt bin, von Null bis 100 Mark plus Reise. Er möge nach freier Wahl entscheiden. „Grundprobleme des Physikalismus“BNeurath, Otto!„Grundprobleme des Physikalismus“, Vortrag gehalten am 21. Februar 1933 in Berlin in der Gesellschaft für wissenschaftliche Philosophie; vgl. die Chronik in Erkenntnis 3, 1932/33, S. 232.. Das muß sorgsam vorbereitet werden, damit jeder Gelegenheit hat, ausreichend Ärgernis zu nehmen, ohne daß der Vortrag zu witzig und zu ausgelassen wird. Denk doch, was man für schöne Kapriolen unser physikalistisches Pferd machen lassen kann. Es kommt mit einem Sprung über „Natur- und Geisteswissenschaften“, frißt keinen naturphilosophischen Hafer und keine geisteswissenschaftliche Melasse, sondern nur einheitswissenschaftliche goldene Gerste. Sinnleere Reifen werden der Reihe nach aufgestellt, elegant werden psychoanalytische Flaschen abgegangen, wobei man acht geben muß, daß unser Zirkusroß nicht ins Metaphysische tappt. Ich lese schon fleißig „Totem und Tabu“. Ich plane irgend eine zusammenfassende Darstellung über Physikalismus. „Einheitswissenschaft“, nicht „Theorie der Einheitswissenschaft“.
Was wird denn aus unserer gemeinsamen Publikation bei MeinerIVerlag MeinerPMeiner, Felix, 1883–1965, dt. Verleger? Laß mal was hören.
So, jetzt muß ich aber wieder was arbeiten. Grüß mir InenPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap, grüß mir den grünen Blick aus Eurem Fenster. Schreib bald, was Nettes‚