Ich danke Ihnen für die Zusendung des Carnap’schenPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap Briefes und für den Ihren und Ihre Karte. Die Verspätung meiner Antwort rührt zum Teil daher, daß ich in der letzten Zeit sehr beschäftigt war (ich habe manchmal sieben Stunden im Tag diktiert); teils aber daher, daß mich die Angelegenheit, um die sich unsere Korrespondenz dreht, anwidert. Es kostet mich große Überwindung, darüber zu schreiben und ich bitte Sie vor allem, diesen Brief an CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap weiterzugeben, mit der Erklärung, Sie hätten Ihren Brief an ihn auf meine Anregung geschrieben, etc..
Ich gehe aber auf die Sache nicht darum ein, weil es mir um meine Priorität bange ist; ja ich glaube, wenn mein BuchB einmal erscheinen wird, wird die Autorschaft der Gedanken den Menschen, die es verstehen, nicht zweifelhaft sein. Und die Anerkennung in akademischen Kreisen strebe ich, wie Sie wissen, nicht an. – Ich gehe also auf die Sache ein, um das, was an ihr durch meine Schuld (durch die Unterlassung einer deutlichen Erklärung) schief ist, ins Reine zu bringen: Ich habe – wie Sie wissen – CarnapsPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap Vorgehen in dieser Sache nicht für anständig gehalten, und sein Brief an Sie hat mich nicht vom Gegenteil dieser Meinung überzeugt.
Ich werde die einzelnen Punkte kurz berühren.
1. CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap sagt, er halte, wie Sie und ich, die Verweisung auf andere Autoren für nicht sehr wichtig. Aber Sie sind doch darin sehr gewissenhaft, und ich habe im Vorwort zur „Abhandlung“BWittgenstein, Ludwig!1921@Logisch-philosophische Abhandlung, Leipzig, 1921 geschrieben, ich werde keine Quellen angeben. Aber auch CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap ist gewissenhaft, wo es sich um Zitate aus seinen eigenen Werken handelt, und nur seine Hauptquelle hat er verschwiegen.
2. Daß ich mich nicht mit der Frage des „Physikalismus“ befaßt hätte, ist unwahr (nur nicht unter diesem – scheußlichen – Namen) und in der Kürze, in der die ganze „Abhandlung“BWittgenstein, Ludwig!1921@Logisch-philosophische Abhandlung, Leipzig, 1921 geschrieben ist.
3. Ich glaube nicht, daß CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap sich nicht mehr an das Gespräch mit WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann erinnert, worin dieser ihm meine Auffassung der hinweisenden Definitionen mitgeteilt hat.
4. Seine Auffassung der Hypothesen hat CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap von mir (und dies habe ich wieder durch WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann erfahren) und weder PoincaréPPoincaré, Henri, 1854–1912, fr. Mathematiker und Philosoph noch ReichenbachPReichenbach, Hans, 1891–1953, dt.-am. Philosoph, ab 1921 verh. mit Elisabeth Reichenbach, ab 1946 verh. mit Maria Reichenbach konnten diese Auffassung haben, da sie nicht meine Auffassung der Sätze und der Grammatik hatten. Sie selbst aber haben mich in einem AufsatzB, den mir WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann zeigte, in dieser Sache als Ihre Quelle genannt.
5. Daß CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap, wenn er für die formale und gegen die „inhaltliche Redeweise“ ist, keinen Schritt über mich hinaustut, wissen Sie wohl selbst; und ich kann mir nicht denken, daß CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap die letzten Sätze der „Abhandlung“BWittgenstein, Ludwig!1921@Logisch-philosophische Abhandlung, Leipzig, 1921– und also den Grundgedanken des ganzen BuchesB– so ganz und gar mißverstanden haben sollte. Und ich muß Ihnen doch wohl nicht sagen, daß sich meine Kritik der Metaphysik auch auf die Metaphysik unserer Physiker und nicht nur auf die der Berufsphilosophen bezieht.
Am widerlichsten ist es mir, wenn CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap von seiner „unhistorischen Einstellung“ schreibt, und, daß es nicht sehr wichtig sei, wenn er sich seiner Abhängigkeit von mir „und Anderen“ vielleicht nicht ganz bewußt sei. Man müßte viel gedankenreicher sein als er, um das schreiben zu dürfen.
Noch einmal: Nicht um eine akademische Prioritätsstreitigkeit handelt es sich mir, sondern um eine persönliche Angelegenheit. Denn im Grunde des Herzens ist mir, was die heutigen Berufsphilosophen über 🕮 mich denken, gleichgültig; denn ich schreibe nicht für sie. – Ich glaubte, diese Erklärungen abgeben zu sollen, um mir nicht den Vorwurf einer Art feiger Faulheit machen zu müssen. Noch eines: Ob CarnapPCarnap, Rudolf, 1891-1970, dt.-am. Philosoph, 1917-1929 verh. mit Elisabeth Carnap und ab 1933 mit Ina Carnap mich in seinem nächsten Werk nennt oder nicht, ist mir gänzlich gleichgültig. Er braucht mich überhaupt nicht zu nennen. Ich wünsche nur, daß er weiß, wie ich über sein Verhalten denke.