\brief[Carnap an Neurath, Burgstein bei Längenfeld/Tirol, 7.~August 1932]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 7. August 1932}{August 1932}\labelcn{1932-08-07-Carnap-an-Neurath} \anrede{Lieber Neurath!} \haupttext{Hoffentl\ekl{ich} erreicht dies Dich noch in Wien. Entschuldige die Verzögerung. Hier war immer allerhand anderes im Gange. Feigl\IN{\feigl} brachte noch einen Freund, Dr. Karl Popper\IN{\popper}, mit dem eifrig diskutiert werden mußte.\fnE{Vgl.\labelcn{1932-08-07-Carnap-an-Neurath-Tirol} dazu die Einträge in TB im Zeitraum 21.7. bis 24.\,8.\,1932, die eine ganze Reihe von während des Aufenthalts in Tirol stattgefundenen Diskussionen mit Feigl, Popper und (anfangs) Hempel dokumentieren.} Dein jetziges MS\IW{\neurathprotokoll} finde ich erheblich klarer. Dein Zeit- u. Mühe-Aufwand bei der Neuformulierung ist nicht umsonst gewesen. Die Bedenken, die ich trotzdem noch gegen die Veröffentlichung habe, will ich zurückstellen, da Du die Veröff\ekl{entlichung} ja dringend wünschst u. schließlich Du die Verantwortung dafür trägst. (Diese Bedenken beziehen sich nicht auf den Inhalt, sondern darauf, ob man Überlegungen in diesem frühen u. daher notwendigerweise noch etwas chaotischen Zustand schon vor die Öffentlichkeit bringen soll; ferner die Sorge, daß die meisten Leser trotz Betonung unsrer Gemeinsamkeiten vielleicht sagen werden: mit dem Physikalismus scheint das eine ganz wacklige Angelegenheit zu sein, da die beiden Hauptvertreter sich noch nicht einmal einig sind). Übrigens hatten Feigl\IN{\feigl} u. Kasper\IN{\kasper} diese Bedenken noch stärker als ich. Sie meinten, man sollte die Sache lieber nicht so veröffentlichen. Ich habe sie dann mit dem Argument überzeugt, daß es mir nicht angängig erscheint, eine Sache, die Du unbedingt bringen willst, abzulehnen, u. daß Du entschlossen bist, die Sache nicht bis zu weiterer Ausreifung liegen zu lassen. Auf meinen Entschluß, das MS\IW{\neurathprotokoll} jetzt anzunehmen, hat auch Deine Begründung gewirkt, daß \neueseite{}\zzz Deine jetzigen Darlegungen auf mich wirken u. viell\ekl{eicht} weitere Veröff\ekl{entlichungen} von mir beeinflussen können; da hast Du ja recht. Wir haben Dein MS\IW{\neurathprotokoll} zusammen gelesen u. besprochen. Einiges hat Feigl\IN{\feigl} mir erläutert; mehr noch ich ihm. Ich habe jetzt einige Änderungsvorschläge hineingeschrieben (Bleistift); Deinem Wunsch gemäß sehr sparsam. Im Hauptpunkt \textkritik{unsrer Differenz inbez\ekl{ug} auf Protokollsätze}\fnA{Hsl. Einschub.} handelt es sich, wie mir scheint, nicht um eine Wahrheitsfrage, sondern um eine Zweckmäßigkeitsfrage: Ich denke mir den Aufbau (Prot\ekl{okoll}sätze, System) so u. so vorgenommen, Du schlägst vor, ihn anders vorzunehmen. In der Erwiderung werde ich das näher ausführen. Über manche Punkte bin ich mir auch noch nicht ganz klar (z.\,B. Schachtelungsform der Prot\ekl{okoll}sätze).\fnEE{Zu Neuraths Formulierung der Protokollsätze (etwa in ,,Protokollsätze``, 207f.\,/\,GphmS 580) siehe Uebel, \textit{Empiricism at the Crossroads}, Kap.\,11.} Deine Darlegungen sind mir ein willkommener Anlaß, weiter darüber nachzudenken. Schick mir das MS\IW{\neurathprotokoll} zurück; ich gebe es dann an Reichenb\ekl{ach}\IN{\reichenbach} weiter. Hempel\IN{\hempel} ist wieder in B\ekl{erlin}, Feigls\IN{\kasper}\IN{\feigl} u. Poppers\IN{\popperfrau}\IN{\popper} sind für einige Tage in die Gletscherwelt hinauf. Wir hatten erfreuliche Gespräche. Ich wünsche Dir schöne Sommerreise. Wann kommst Du wieder über Prag? Wir fahren etwa 17. od\ekl{er} 20. f. ein paar Tage nach München, dann Prag. Herzl\ekl{iche} Grüße, auch an Olga\IN{\neuratholga},} \grussformel{Dein\\R. Carnap} \ebericht{Brief, hsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/828434}{ON 219 (ksl. Abschrift bzw. Vorlage RC 029-12-37)}; Briefkopf: hsl. \original{Burgstein bei Längenfeld, 7.\,8.\,32}; in der ksl. Abschrift fehlen der erste Absatz sowie die letzten Zeilen; die Angaben im Briefkopf sind dort ergänzt durch ksl. \original{(2 MS, eingeschrieben)}.}