\brief[Neurath an Carnap, Wien, 7.~Juli 1932]% {Otto Neurath an Rudolf Carnap, 7. Juli 1932}{Juli 1932}\labelcn{1932-07-07-Neurath-an-Carnap} \anrede{Lieber Carnap!} \haupttext{Ich fahre wohl erst um den 23. nach Moskau. Feigl\IN{\feigl} erzählte mir, Du fändest meinen Artikel\IW{\neurathprotokoll} für Erkenntnisleser\II{\erkenntnis} nicht verständlich.\fnE{Neurath, ,,Protokollsätze``.} Um lange Auseinandersetzungen darüber zu vermeiden, was ,,verständlich`` ist, an wen man als Leser denken soll, habe ich den Artikel\IW{\neurathprotokoll} nochmals umgeschrieben. Und um ganz sicher zu gehn, habe ich Satz für Satz mit Feigl\IN{\feigl} und Neider\IN{\neider} durchgesprochen. Außerdem befragte ich einen jungen begeisterten Physikalisten -- Hollitscher\IN{\hollitscherwalter}\fnEE{\labelcn{1932-07-07-Neurath-an-Carnap-Hollitscher}Zur Beziehung Neurath-Hollitscher vgl. Goller/Oberkofler, ,,Walter Hollitscher. Briefwechsel mit Otto Neurath``, sowie die publizierte Korrespondenz: Neurath/Hollitscher, ,,Briefwechsel (1934--1941)``.} -- er teilte mir telephonisch mit, daß er die Fassung, welche Du jetzt in der Hand hast, durchaus verständlich finde, bis auf einige Sätze, die vielleicht noch eindringlicher gefaßt werden könnten. Damit, daß der Artikel\IW{\neurathprotokoll} nun \gesperrt{verständlich} ist, ist nicht gesagt, daß ihm z.\,B. Feigl\IN{\feigl} zustimmt. Ihm ist recht ungemütlich dabei. Gefühlsregungen treten auf, die sich in Abwehr äußern. Neider\IN{\neider} dagegen scheint im wesentlichen überzeugt, daß in der angedeuteten Richtung die Linie der weiteren Entwicklung liegt. Ich glaube, bei Dir ist die Tendenz sehr stark, doch irgendwie eine Asymmetrie einzuführen und zu Elementarsätzen zu kommen, kurzum, zu irgendwelchen \gesperrt{tragenden} Säulen. Ich spreche metaphorisch, wenn auch nicht metaphysisch. In der von mir versuchten Darstellung ist sozusagen jedes Element grundsätzlich veränderbar. Ich halte im Rahmen Deiner Darstellung meine Bemerkungen nicht \neueseite{}\zzz für störend. Man kann das sicherlich einbauen und kann auf die Suche nach der ,,ersten Sprache`` verzichten. Was nun den Druck anlangt, so bitte ich Dich für baldiges Erscheinen zu sorgen. Es ist üblich, daß Bemerkungen zu einem Aufsatz \gesperrt{rasch} herauskommen. Du mußt eben mit R\ekl{eichenbach}\IN{\reichenbach} darüber verhandeln. Wenn Du von vornherein die Sache auf sich beruhen läßt, wird diese Bemerkung möglicherweise solange hinausgezögert, bis Dein nächster Aufsatz\IC{} erscheint, was nicht sinnvoll ist, weil Du vielleicht auf meine Bemerkungen irgendwie reagierend dort Änderungen vornimmst, so daß meine Bemerkung wieder schief herauskommt. Sei also lieb und verzögere den Abdruck nicht weiter. Feigl\IN{\feigl} meinte: wer von den Erkenntnislesern\II{\erkenntnis} den Carnapaufsatz\IC{} verstanden hat, der versteht wohl auch diesen. So sehr ich immer bereit bin, auf Anregungen einzugehn, es muß schließlich irgendeinmal möglich sein, auch etwas vielleicht nicht ganz Vollkommenes zu drucken, wenn der Autor die Verantwortung dafür trägt. Ich freue mich auf die Fortsetzung der Aussprachen. Ich freue mich auf die ,,logische Syntax``\IC{\logischesyntax}. Mit viel Spaß hörte ich von Hempels\IN{\hempel} Bericht über Deinen Vorstoß nach Berlin und über die Reaktion einzelner metaphysischer Zöpfe\fnE{Vgl. dazu unten, Brief Nr. \refcn{1932-07-18-Carnap-an-Neurath}.} -- was übrigens zeigt, wie die dortige Gesellschaft für empirische (wissenschaftliche) Philosophie\II{\gesellschaft}\fnEE{Die 1928 gegründete \textit{Gesellschaft für empirische Philosophie} wurde 1931 umbenannt in \textit{Gesellschaft für wissenschaftliche Philosophie}; zu dieser Gesellschaft vgl. Hoffmann, ,,Die ,Berliner Gesellschaft für empirische/wissenschaftliche Philosophie\grq\grqq, sowie Milkov, ,,Einleitung``.} sonst geartet sein muß -- hoffentlich kommt bald ein gedruckter Bericht. Ich schrieb an Reichenbach\IN{\reichenbach} mitfolgenden Brief.\fnE{Neurath an Reichenbach, 7.~Juli 1932, (RC 029-12-42).} Grüß Ina\IN{\ina}.} Alles Beste \grussformel{Dein\\ON} \briefanhang{Die\fnSEmark\ Unterzeichneten Feigl\IN{\feigl}, Neider\IN{\neider} sind der Meinung, daß die vorliegende Formulierung der Bemerkungen \textkritikl von Neurath\inneurath{}\textkritikr\fnAmark\ zu Carnaps\incarnap{} Aufsatz\IC{} von Erkenntnislesern\II{\erkenntnis}, die sich für diese Probleme überhaupt interessieren und den Carnapschen\incarnap{} Aufsatz\IC{} verstehen\fnAmark, verstanden werden können. \grussformel{Herbert Feigl\\H. Neider}\fnAtext{Hsl. Einschub.}\fnAtext{Hsl. Ersetzung von \original{kennen}.}}\fnSEtext{Text dieser Nachbemerkung auf eigenem Blatt, Signaturen handschriftlich.} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/828428}{RC 029-12-41}; Briefkopf: msl. \original{Wien. XII. Arndtstraße 1. Stiege 17} und \original{7.~Juli}, ergänzt durch hsl. \original{32}. Der hier als Anhang wiedergegebene Text findet sich auf einem separaten Blatt unter RC 029-12-43. Der Text ist msl. abgefaßt und von Feigl und Neider hsl. signiert; am Blatt oben hsl. \original{7.\,7.\,32}.}