Rudolf Carnap an Hans Reichenbach, 21. Juni 1932 Juni 1932

Lieber Reichenbach!

Gestern habe ich Ihnen das MS meines RundfunktorvortragesB geschickt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie es mir mit Korrekturvorschlägen (einfach an den Rand oder in den Text geschrieben) möglichst bald zurückschicken würden. Die Deutsche WelleIDeutsche Welle, deutscher Radiosender will 2 Ex. des MSB schon eine Woche vor dem Vortrag haben. Ich müßte es also bis zum 25. haben.

Soeben erhalte ich Ihren Brief vom 18. Ich bin mit Rücksicht auf GrellingPGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph mit der Ansetzung des Kolloquiums auf Montag einverstanden. Ich möchte Ihnen folgendes vorschlagen: ich wäre bereit, 2 Mal ein ganz kurzes Referat (20 - 30 Minuten) zu machen, mit anschließender Diskussion. Das erste Mal (also Montag) vor dem Plenum des KolloquiumsIReichenbachs Kolloquiums, über: Semantik (Metalogik) als Grundlage der wissenschaftlichen Philosophie.B Hier möchte ich zu zeigen versuchen, daß die wiss[enschafts]-philos[ophischen] Probleme semantische Fragen sind, ohne dabei auf den formal-technischen Aufbau des Systems der Semantik einzugehn. Für diejenigen (vermutlich nur wenigen), die sich für diese formalen Probleme der Semantik interessieren, könnte man vielleicht eine inoffizielle zweite Zusammenkunft verabreden, in der ich ganz kurz (oder auch gar nicht) referieren würde, um dann auf die Fragen einzugehen, die auf Grund der HempelschenPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel ReferateB vielleicht vorliegen. Falls Sie für die formalen Fragen weniger Interesse haben, oder für die zweite Zusammenkunft keine Zeit haben, so bitten Sie vielleicht Herrn HempelPHempel, Carl Gustav, 1905–1997, dt.-am. Philosoph, verh. mit Eva Hempel, ab 1947 mit Diane Hempel, die zweite Zusammenkunft zu veranstalten und zu leiten. Sollte etwa GrellingPGrelling, Kurt, 1886–1942, dt. Philosoph sich mehr für die formalen Probleme als für den Zusammenhang zwischen Semantik und Philosophie interessieren, so ist mir natürlich die umgekehrte Reihenfolge ebenso recht. Für die zweite Zusammenkunft wäre mir Mittwoch oder Donnerstag recht; wenn es nicht anders geht, auch Freitag.

Für Ihre frühere Einladung und die jetzige von HerzbergPHerzberg, Alexander, 1887–1944, dt.-brit. Mediziner und Philosoph besten Dank. Da ich mehrere Tage in Berlin bleiben will, möchte ich es lieber nicht annehmen. Ich habe beim Harnackhaus angefragt, das, wenn Zimmer frei sind, auch Nichteingeladene aufnimmt. Falls es damit nichts wird, will ich in eines der Hospize oder so etwas gehen. Können Sie mir vielleicht eines empfehlen?

Das Material für die Wiener ChronikB liegt schon seit Monaten bei mir. Ich konnte es noch nicht schicken, weil Sie meine Anfrage über den verfügbaren Raum noch nicht beantwortet haben. Übrigens auch noch nicht die zahlreichen andern Anfragen in meinen Briefen vom 20. März, 28. April, 2. Mai, 13. Mai und 7. Juni, von denen einige doch dringend sind. Besonders wäre es mir lieb, wenn Sie mir vor Berlin noch über TagungI, VögelinP, DunckerPDuncker, Karl, 1903–1940, dt.-am. Psychologe, ChronikB, TarskiPTarski, Alfred, 1901–1983, poln.-am. Mathematiker und Logiker und AjdukiewiczPAjdukiewicz, Kazimierz, 1890–1963, poln. Philosoph schreiben würden, weil sich die Erledigung dieser Sachen sonst bis Mitte Juli verschiebt.

FeiglPFeigl, Herbert, 1902–1988, öst.-am. Philosoph, seit 1931 verh. mit Maria Feigl kommt in diesen Tagen nach Wien zurück.

Mit besten Grüßen

Ihr
R. Carnap

Brief, msl., 1 Seite, HR 013-41-34; Briefkopf: gestempelt Prof. Dr. Rudolf Carnap  /  Prag XVII.  /  N. Motol, Pod Homolkou, msl. den 21. Juni 1932.


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