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Lieber Herr Kaufmann!
Besten Dank für Ihren Brief mit den ausführlichen Bemerkungen zur Metalogik. Obwohl ich Vielem von dem, was Sie sagen, zustimme, kann ich doch Ihrer Hauptthese über den Charakter des Formalen und der „Sätze über Sätze“ nicht zustimmen. Es handelt sich meiner Meinung nach nicht um eine „Wendung zum deutlichen Denken“; undeutliche und deutliche Gedanken oder Sätze sind ja Sätze der gleichen Schicht. Ich meine, daß die Sätze der deskriptiven Metalogik tatsächlich Sätze über Sätze sind, wobei die Objektsätze rein figural betrachtet werden, ohne auf die Bedeutung der Figuren Rücksicht zu nehmen. In dem angeführten Beispiel: „Substantiv“ bedeutet nicht „Name für ein Ding“ sondern etwa „Wort mit großem Anfangsbuchstaben“ (oder ähnlich); für die grammatischen Wortarten läßt sich diese formale Bestimmung ja nur im Esperanto konsequent durchführen). In dem formalisierten Aufbau wird ja tatsächlich, wie Sie gesehen haben, auf die Bedeutung der Zeichen in keiner Weise Bezug genommen.
Die Sätze der reinen Metalogik sind allerdings, wie Sie richtig sagen, genau genommen nicht Sätze über Sätze, sondern rein mathematische Formeln; sie verhalten sich zu den Sätzen der deskr[iptiven] Met[alogik] wie die Sätze der mathematischen Geometrie (die ja auch nichts besagen) zu den Sätzen der physikalischen Geometrie. Die Sätze der Metamathematik irgendeiner bestimmten mathematischen Disziplin sind also zwar auch Sätze der Mathematik, aber sie sind grundsätzlich zu unterscheiden von den Sätzen dieser Disziplin selbst und sind nicht etwa deutlicher gemachte Sätze dieser Disziplin.
Vielleicht wird meine Auffassung über den Charakter der Metalogik durch den zweiten Teil des MS
Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie so freundlich sein würden, das MS
Ihnen und Ihrer lieben Frau
Ihrem
R. Carnap
Brief, msl., 1 Seite, FK 008121 (Dsl. RC 028-23-18); Briefkopf: gestempelt Prof. Dr. Rudolf Carnap  /  Prag XVII.  /  N. Motol, Pod Homolkou, msl. den 24. Mai 1932.