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Lieber Herr Carnap!
Im Folgenden möchte ich eine Reihe von Bemerkungen zu Ihrer „Metalogik“
Meine Einwände richten sich im Wesentlichen gegen Ihre Auffassung der Metalogik als Sprache über die Sprache und – im Zusammenhang damit – gegen Ihre m. E. mehrdeutige Verwendung des Begriffes „formal“.
Sie unterscheiden (vgl. etwa S. 6 unten u. S. 7) die Ausdrücke (Wörter, Sätze) der zu behandelnden Sprache, die – bei inhaltlicher Deutung – von den Dingen sprechen und die Ausdrücke der Metalogik, die über jene Ausdrücke erster Art sprechen. Meiner Meinung nach sind nun für die Sätze der Metalogik die Sätze der Sprache keineswegs in demselben Sinne „Gegenstände worüber“, wie es für die Sprache die Dinge der Welt sind. Die „echten“ empirischen Sätze der Sprache sind Verknüpfungen von Lokalzeichen mit Qualitäten (jetzt, hier, so; dann, dort, so, ect.); hier sind also tatsächlich die Prädikate denkunabhängig von den Subjekten; in der reinen Metalogik aber ist dies nicht der Fall und demgemäß enthält diese keine Sätze über Sätze sondern – wie Wittgenstein
Diesen radikalen Unterschied scharf hervortreten zu lassen, würde ja auch ganz in der Linie Ihrer Arbeit liegen, in der Qualitäten und Lokalzeichen symbolisch mit aller wünschenswerten Deutlichkeit auseinandergehalten werden.
Sohin erscheint mir auch Ihre Bildung eines Begriffes der Metalogik, unter welchen neben der bisher als „Metalogik“ bezeichneten „reinen“ Metalogik noch die „deskriptive Metalogik“ (also ein Inbegriff empirischer Sätze) fällt, als nicht glücklich. Diese Begriffsbildung ist darum besonders gefährlich, weil sie den Umstand verschleiert, daß nur die Sätze der „deskriptiven Metalogik“ Sätze über das stoffliche (sensuelle) Substrat der Sprachzeichen sind, nicht aber die Sätze der reinen Metalogik, auf deren Verständnis es ja in allererster Linie ankommt.
Machen wir uns dies an einem Ihrer Beispiele von metalogischen Sätzen klar. „Ist ein Ausdruck zusammengesetzt aus der und der (syntaktischen) Art in der und der Reihenfolge, so ist er ein Satz.“
Wir haben bei Wörtern den sinnlichen Stoff (die figuralen oder akustischen Momente) und die Bedeutung zu unterscheiden. Letztere darf nun nicht so interpretiert werden, als wäre es eine Eigenschaft des „Stoffes“ diese Bedeutung zu haben. Diese Ausdrucksweise ist ja nur eine Abkürzung dafür, daß in einem mehr oder minder genau bestimmten Kreis psychophysischer Subjekte die „Aktualisierungen“ stofflicher Momente der angegebenen Art (also das Schreiben, Zeichnen, Sprechen) als Zeichen (Symptome) für das Denken bestimmter Gegenstände und damit auch für diese Gegenstände selbst gelten.
Wenn man demgemäß den in Rede stehenden Satz unverkürzt ausspricht, so tritt er als Aussage über das Verhalten (die Symptomsetzung) schreibender (zeichnender, sprechender) Menschen zutage. Insbesondere muß beachtet werden, daß sich formale (syntaktische) „Eigenschaften von Sätzen“ nur dadurch am „Zeichenstoff“ (den figuralen oder akustischen Momenten) zeigen, daß bestimmte Konventionen über dessen symptomatischen Gehalt bestehen; aber man darf solche Konventionen nicht in der Weise auffassen, daß sie einem Phänomen eine bisher nicht gehabte Eigenschaft zuteilen.
Diese eben für die Bedeutungszuordnung gemachte Feststellung gilt nun ganz allgemein für beliebige Zuordnungen, insbesondere für Nominaldefinitionen. Die Einführung eines neuen Zeichens \(Z_{n}\) für einen Zeichenkomplex \(Z_{1}…Z_{i}\) ist keine Aussage über \(Z_{1}…Z_{i}\). (Die Nichtbeachtung des Gesagten kann u. a. die Notwendigkeit der Einführung des erweiterten Funktionenkalküls vortäuschen.)
Erkennt man demgemäß, daß sich das „Formale“ nicht als dasjenige bestimmen lässt, was den figuralen Momenten ohne Rekurs auf die Bedeutung zu entnehmen ist, so ergibt sich weiters die Mehrdeutigkeit Ihres Begriffes des Formalen. Nehmen wir Ihr Beispiel „Piroten karulieren elatisch“, so sind die Angaben, daß „Piroten“ ein Substantiv, „karulieren“ ein Verb in der 3. Person Plur. Ind., „elatisch“ ein Adverb ist, zweifellos Aussagen über Bedeutungen. Die Klassifikation der verschiedenen Wortarten ist ja eine Klassifikation nach Bedeutungsdifferenzen. Ein (echtes) Substantiv bedeutet eine Person oder ein Ding, ein echtes Verbum einen Zustand oder Vorgang, ect. Nun kann man freilich den Begriff des Formalen relativieren und Stufen des Formalen unterscheiden und dann „Ding“, „Zustand“, „Person“, ect. als formal gegenüber inhaltsreicheren Begriffen bezeichnen, aber sie sind nicht in dem „absoluten“ Sinne formal, wie die
Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die herkömmliche Auffassung des Verhältnisses zwischen Mathematik und Metamathematik bzw. zwischen Logik und Metalogik nicht haltbar ist. Weitere Überlegungen führen dann – meiner Meinung nach – zu dem Ergebnis, daß die Hauptprobleme der Metamathematik (Beweisbarkeit, Widerspruchsfreiheit) keineswegs grundsätzlich verschieden von denen der Mathematik sind; – es handelt sich ja in beiden Fällen um eine Zergliederung der Axiome – , sondern daß zwischen beiden ein ähnliches Verhältnis besteht, wie etwa zwischen den beiden Hauptproblemgruppen in der Lehre von den quadratischen Formen in der Zahlentheorie.
Von hier aus erscheint auch die von Ihnen vollzogene Formulierung der Metalogik einer Sprache in dieser Sprache erkenntnistheoretisch in einem anderen Licht und desgleichen Ihre Überlegungen über die philosophische Bedeutung der Metalogik.
Mit besonderer Freude habe ich den Absatz I. C „Bemerkungen zur Begründung der Modellsprache“ gelesen. Hier möchte ich Sie nur zu überlegen bitten, ob nicht die Schwierigkeiten in der Theorie der Irrationalzahlen, die scheinbar bei Ausschaltung des erweiterten Funktionenkalküls entstehen, mit der richtigen Auffassung der All-Sätze und der Existentialsätze wegfallen und ob nicht Ihre Ausführungen S. 91 f. gegenüber denjenigen von S. 87 ff. eine Inkonsequenz bedeuten. Im übrigen deckt sich meine Position durchaus mit derjenigen Ihrer Modellsprache, insbesondere auch in ihrer Abweichung von Intuitionismus; dies gilt namentlich auch in Hinblick auf den Satz vom ausgeschlossenen Dritten. Ich glaube daher nicht, daß meine Auffassung als intuitionistische (Brouwer’scher
Die oben angeführten Divergenzen treten natürlich an einer großen Zahl von Stellen Ihrer Arbeit
Wie mir Herr Hempel
Ferner möchte ich Sie um Mitteilung bitten, wohin ich Ihr M.S.
Bei uns geht jetzt alles sehr gut, insbesondere freut sich unser „unmittelbarer Nachfolger“
Nochmals herzlichen Dank und die freundlichsten Grüße
von Ihrem
Felix Kaufmann
Brief, msl., 5 Seiten, RC 028-23-19 (Dsl. FK 008111-008120); Briefkopf: gestempelt Dr. Felix Kaufmann  /  Tel