\brief{Rudolf Carnap an Heinrich Scholz, 3. Mai 1932}{Mai 1932} %, den 3.Mai 1932. \anrede{Lieber Herr Scholz!} \haupttext{Hier die Antwort auf die Fragen von Ihnen und Herrn Bachmann\IN{\bachmannfriedrich} vom 19.April. \uline{1) Peano\IN{\peano}-AS}. Die beiden Gestalten des AS in Logistik \textsection{}\,32a seien $A$ und $B$. Sie haben recht, daß hier etwas fehlt. Wenn ich recht sehe, liegt die Sache so. Wenn ,,$Nf \varepsilon 1 \rightarrow cls$`` zu B hinzufügt wird, stimmt $B$; d.\,h. es ist ,,$Nf \varepsilon prog$ beweisbar. In $A$ ist dagegen nur ,,NF \{symbol\} za \{symbol\} prog`` beweisbar. Wenn in $A$ auch ,,$NF \varepsilon prog$`` beweisbar sein soll, muß hinzugefügt werden ,,\{symbol\} ,NF \{symbol\} za``; ,,\{symbol\}`` ist nicht nötig, da ``za \{symbol\} NF`` aus A4 folgt. \uline{2) Progression}. Ja, bei L26.3 (und einigen andern Sätzen) muß das Unendlichkeitsaxiom eingefügt werden. Ich danke Herrn Bachmann\IN{\bachmannfriedrich}, daß er mich durch (1) und (2) auf Lücken aufmerksam gemacht hat. \uline{3) Definition der Summe}. Nach der Typenregel bleibt eine sinnvolle Formel sinnvoll, wenn irgendwelche Zeichen durch beliebige Zeichen desselben Typus ersetzt werden. Wenn man also überhaupt so vorgehen will, daß man wie Russell\IN{\russell} die Kardinalzahlen als bestimmte Klassen von Klassen definiert, so sind notwendig alle Begriffe, die sich auf Kardinalzahlen beziehen, auch beziehbar auf beliebige Klassen von Klassen. Mir scheint, daß man dann bei der Definition eines gebräuchlichen arithmetischen Begriffes nur verlangen sollte, daß er bei Anwendung auf Kardinalzahlen die in der Arithmetik übliche Bedeutung bekommt, während er in der Anwendung auf sonstige Klassen von Klassen bedeuten mag, was er will. -- Übrigens trifft die Formel ,,$Nc' \alpha + Nc' \beta = Nc' (\alpha + \beta)$`` sicherlich nicht zu; auch wenn $\alpha$ und $\beta$ Kardinalzahlen sind, ist sie im Allgemeinen falsch. \uline{4) Existenzbegriff; virtuelle Verrückung}. Nach meiner Auffassung handelt es sich hier um 2 Begriffe, die durch verschiedene Symbole der Sprache ausgedrückt werden sollten. Es handelt sich vielmehr um den Unterschied zwischen dem ,,es gibt``, das in der Sprache (und zwar überall durch dasselbe Symbol, unabhängig davon, ob es sich um einen logisch-arithmetischen oder um einen empirischen Satz handelt) ausgedrückt wird und dem ,,es gibt`` der Metasprache, in der wir über die Ausdrücke der ersten Sprache sprechen. Genauer kann das nur im Zusammenhange des Systems der Semantik (Metalogik) erörtert werden. Ich hoffe, in den nächsten Monaten mit der Darstellung dieses Systems fertig zu werden. \uline{5) Euklidischer\IN{\euklid} Raum}. Es scheint mir keine Wahrheitsfrage, sondern nur eine Zweckmäßigkeitsfrage zu sein, was man als ,,euklidischen\IN{\euklid} Raum`` bezeichnen will. Möchte man lieber nicht von mehreren euklidischen\IN{\euklid} Räumen, sondern von \uline{dem} euklidischen\IN{\euklid} Raum sprechen, so dürfte es zweckmäßig sein, als ,,euklidischen\IN{\euklid} Raum`` die den Hilbertschen\IN{\hilbert} Sextupeln (richtiger: 7-tupeln) gemeinsame Struktur zu bezeichnen (vgl. ,,Erkenntnis``\II{\erkenntnis} I, 305\,f.). Mit besten Grüßen} \grussformel{Ihr\\ \blockade{ksl.}} \ebericht{Brief, msl. Dsl., 1 Seite, \href{https://doi.org/10.48666/871274}{RC 102-72-04}; Briefkopf: msl. \original{den 3.\,Mai 1932}.}