\brief{Rudolf Carnap an Heinrich Junker, 1. April 1932}{April 1932} \anrede{Sehr geehrter Herr Kollege!} \haupttext{Über die logische Syntax liegt bisher noch keine zusammenfassende Darstellung vor. Ich arbeite gegenwärtig an einem Buche\IC{\logischesyntax} hierüber: ich hoffe, daß es im nächsten Winter wird erscheinen können. Die Syntax, die ich behandle, bezieht sich nicht auf eine der vorliegenden Wortsprachen, sondern auf eine ,,Modellsprache``, die gewissermaßen als Skelett der Sprache der Wissenschaft aufzufassen ist. Die Folgerungen für die Sprachwissenschaft ziehe ich in meinem Buch\IC{\logischesyntax} noch nicht, glaube aber, daß die mit der Sprachwissenschaft zusammenhängenden logischen Probleme auf Grund der von mir entwickelten Methode in Angriff genommen werden können. Stöhrs\IN{\stoehradolf} Auffassung der Logik scheint uns vom Fehler des Psychologismus nicht frei zu sein; im Formalen dürfte er durch die neuere Entwicklung der Logik überholt sein. Die logische Syntax befaßt sich meiner Ansicht nach nicht mit einem sprachfreien Ausdruck, sondern nur mit der formal festgelegten Struktur einer Sprache. ,,Logisch`` heißt sie im Gegensatz zur ,,linguistischen`` Syntax, weil sie die Struktur der Sprache unabhängig von den Zufälligkeiten der historischen Entwicklung behandelt. In meinem Aufbau der logischen Syntax\IC{\logischesyntax} knüpfe ich einerseits an Frege\IN{\frege}, Russell\IN{\russell}, Wittgenstein\IN{\wittgenstein} an, andrerseits an die polnischen Logiker (Lesniewski\IN{\lesniewski}, Tarski\IN{\tarski}, Lukasiewicz\IN{\lukasiewicz} und an Gödel\IN{\goedel}. Mit ergebenstem Gruß} \grussformel{Ihr\\ R. Carnap} \ebericht{Brief, msl., 1 Seite, HJ\blockade{viell. ungünstiges Kürzel}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Prag XVII \,/\, N. Motol, Pod Homolkou}, msl. \original{den 13.\,April 1932 \,/\, Herrn Professor Dr. Heinrich Junker \,/\, Leipzig}.}