Hans Reichenbach an Rudolf Carnap, 13. Februar 1932 Februar 1932

Lieber Carnap‚

es ist sehr schwer, Ihnen hier einen finanziell besser bezahlten Vortrag zu beschaffen. Bei der Kant-GesellschaftIKantgesellschaft ist es ganz aussichtslos, nachdem unsere Beziehungen mit LiebertPLiebert, Arthur, 1878–1946, dt.-brit. Philosoph selbstverständlich nicht die besten sind und er schon in Ihrem Vortrag in unserer Gesellschaft einen Vorwand hätte, einen zweiten Vortrag in seiner Gesellschaft abzulehnen. Übrigens zahlt er keineswegs gut. Eher wäre noch etwas mit dem Rundfunk zu machen, aber die Leute haben dort bisher vor Logik und Mathematik stets ein Horror gehabt und ich habe wenig Hoffnung, daß ich da etwas für Sie machen kann.

Unsere GesellschaftIGesellschaft für wiss. Philosophie, Berlin hat, wie Sie sich denken können, kein Geld und es ist immer schon ein Eingriff in unsere Kasse, wenn wir einem Redner wenigstens die Unkosten vergüten. Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn Sie uns jedenfalls erst mal den Vortrag in unserer Gesellschaft zusagen würden, der Ihnen ja wenigstens keine Unkosten macht, unabhängig davon, ob noch die Möglichkeit zu einem gewinnbringenden Vortrag besteht. Daß ich mich um einen derartigen Vortrag sehr gern bemühen will, können Sie sich denken, nur ist es eben heutzutage sehr schwer. Sollte etwa Ihr Vortrag in unserer GesellschaftIGesellschaft für wiss. Philosophie, Berlin einen pekuniären Überschuß bringen, über das garantierte Honorar von 50 Symbol hinaus, so würden Sie den natürlich selbstverständlich auch erhalten; allerdings besteht nach unseren Erfahrungen dazu wenig Aussicht, da wir für jeden Vortrag größere Reklameunkosten haben. Mit der Verlegung auf Dienstag, den 21. Juni wären wir durchaus einverstanden.

Das Buch von FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank über KausalitätBFrank, Philipp!1932@Das Kausalgesetz und seine Grenzen, Wien, 1932 würde ich gern an KailaPKaila, Eino, 1890–1958, finn. Philosoph🕮die nächste Seite fehlt, die 3.? Seite 2 Mal fotografiert es ihm recht ist, oder ob ihm ein andrer Referent lieber wäre.

Ihre Bemerkungen zu meiner Wahrscheinlichkeitsarbeit sind mir sehr wertvoll, und ich würde gern mit Ihnen ausführlicher darüber sprechen. Vorläufig möchte ich Ihnen folgendes entgegnen. Die Wahrscheinlichkeitsimplikation ist eine Beziehung in demselben Sinne wie die generelle Implikation der Logistik. Wenn Sie diese nicht Beziehung zwischen Aussagen nennen wollen, wofür ich Verständnis habe, dann ist auch die Wahrscheinlichkeitsimplikation keine Beziehung zwischen Aussagen. Ich glaube deshalb nicht, daß man die Wahrscheinlichkeitsimplikation eine metalogische Beziehung nennen kann. Vermutlich veranlaßt Sie zu dieser Auffassung der Gedanke, daß man in der Häufigkeitsdeutung Aussagen zählen muß, was allerdings eine metalogische Angelegenheit wäre. Aber das ist nicht notwendig: gezählt werden Elemente der Wahrscheinlichkeitsfolgen, welche eine gewisse Eigenschaft besitzen und die Wahrscheinlichkeitsimplikation ist also eine Aussage über das Vorliegen einer Häufigkeit in einer Folge.

Ich würde mich freuen, wenn wir später einmal Gelegenheit hätten, ausführlich über diese Dinge zu sprechen, denn Ihr Urteil ist mir darin sehr wertvoll.

Über die nächsten Hefte schreibe ich Ihnen noch.

Herzliche Grüße

Ihr
[Hans Reichenbach]

Brief, msl., Dsl., ? Seiten, HR 013-41-41; Briefkopf: msl. 13. Februar 1932  /  Herrn Prof. Dr. Rudolf Carnap  / Prag XVII, N. Motol, Pod Homolkou.


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