Nachdem FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank und ich am 8. zum zweitenmal von Dir Telegramme bekommen haben, erhalte ich soeben eine Expreßkarte von FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank, worin er mir schreibt, daß er ein drittes Telegramm von Dir bekommen habe;1Frank an Carnap, 8. Februar 1932 (RC 029-12-64). Du seist sehr gekränkt und fühltest Dich von mir geringschätzig behandelt. Dies ist mir vollständig unerklärlich. Als ich Deinen Brief vom 25.a15. Januar erhielt, und überlegte, daß Du recht hast, daß man Deinen AufsatzBNeurath, Otto!1931@„Soziologie im Physikalismus“, Erkenntnis 2, 1931, 393-431 fälschlich als nach meinem geschrieben ansehen könnte, habe ich sofort beschlossen, durch sehr deutliche Hinweise ein solches Mißverständnis unmöglich zu machen und Dir die gebührende Anerkennung zu verschaffen. Wie ich Dir schon schrieb, werde ich auch in Wien das meinige dazu tun, daß Dir diese Anerkennung zuteil wird. Auf Deinen Brief allein hätte ich selbstverständlich schon Deinen Wunsch erfüllt, Deine fünf Telegramme wären dazu nicht nötig gewesen. Und erst recht bin ich jetzt erstaunt darüber, daß Du annimmst, ich würde Deinen Wunsch nicht erfüllen. Vielleicht ist daran die kurze Formulierung meines Antworttelegramms schuld. Beiliegend sende ich Dir den Text der ausführlichen Fußnote, die ich bei der KorrekturB1931@„Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“, Erkenntnis 2, 1931, 423–465 eingefügt habe. Die Korrektur habe ich schon abgeschickt, bevor Dein zweites Telegramm kam. Der Leser ersieht hieraus, daß nicht nur Dein AufsatzBNeurath, Otto!1931@„Soziologie im Physikalismus“, Erkenntnis 2, 1931, 393-431 der frühere ist, sondern daß Du auch schon vorher die allerersten Anregungen auf diesem Gebiet gegeben hast. Ich denke, daß meine Formulierung Dich völlig zufriedenstellen wird. Dein jetzt geäußerter Wunsch, daß der Hinweis nicht in einer Fußnote, sondern im Text stehn solle, ist mir nicht recht verständlich; vielleicht hast Du dabei an eine ganz kurze Fußnote gedacht. Jedenfalls pflege ich die Hinweise auf Vorgänger, an die ich anknüpfe, meist in Fußnoten zu geben, und ich glaube, es ist auch sonst das Üblichere. Ich bin übrigens im allgemeinen der Meinung, daß man sich bei solchen Hinweisen mit einer Nennung der betreffenden Arbeiten und einigen kurzen Bemerkungen begnügen solle. Um Deine Wünsche zu erfüllen, habe ich diesmal den Hinweis ganz besonders ausführlich formuliert.
Den Scientia-AufsatzBNeurath, Otto!„Physikalismus“ in Scientia auch noch zu nennen, wäre sicher gut.2Neurath, „Physikalismus“; ein entsprechender Verweis wurde von Carnap in der Korrektur eingefügt, erschien aber nicht im Druck; vgl. Rudolf Carnap an Hans Reichenbach, 7. Juni 1932, HR 013-41-38. Daß ich nicht daran gedacht habe, liegt daran, daß ich keinen Sonderabdruck besitze. Ist er denn schon gedruckt? Schreib mir, bitte, genauen Titel, Band und Jahr. Auch wenn noch nicht erschienen. Übrigens hast Du sowohl in Deinem ErkenntnisaufsatzBNeurath, Otto!1931@„Soziologie im Physikalismus“, Erkenntnis 2, 1931, 393-431 als auch in Deinem Brief an mich den ScientiaaufsatzBNeurath, Otto!„Physikalismus“ in Scientia zu nennen vergessen. Ich werde ihn in der Revision noch einfügen; es genügt also briefliche Antwort.
In Deinem Brief gabst Du mir noch einige kleine Druckfehlerkorrekturen Deines AufsatzesBNeurath, Otto!1931@„Soziologie im Physikalismus“, Erkenntnis 2, 1931, 393-431 an. Da Du aber das Korrekturexemplar nicht an mich zurückgeschickt hattest, konnte ich nichts damit anfangen. Ich hoffe, Du hast den Vorschlag in meinem Telegramm verstanden, die Korrekturbogen mit der Berichtigung der von uns und der von Dir gefundenen Druckfehler sofort an MeinerIVerlag MeinerPMeiner, Felix, 1883–1965, dt. Verleger zu schicken. Ich vermute, daß in diesen Tagen das Heft zum Umbruch gegangen ist. 🕮
Daß Du gegen mich aufgebracht bist, bedrückt mich arg. Die Freundschaft mit Neurath ist für mich einer der ganz bedeutungsvollen Punkte im Leben und mir unentbehrlich. Ihr verdanke ich menschlich und sachlich viel. Besonders, daß ich gelernt habe, die historische Funktion dessen zu sehen, was ich sonst nur als isolierter GelehrterbHsl. Einschub.„auf den eisigen Firnen der Logik“3Vgl. Verein Ernst Mach, Wissenschaftliche Weltauffassung, S. 30. erarbeiten würde. Produktive Kooperation mit Dir in weit größerem Maßstab noch als bisher ist mein Traum für die Zukunft. Unsere beiden Namen sollen einmal auf einem Blatt der Geschichte nebeneinander stehen. Ich werde mir stets die größte Mühe geben, alles zu tun, damit unsere Beziehung nicht durch Mißstimmungen gestört wird. Bitte laß auch Du keine aufkommen! Wenn Du aber Wünsche inbezug auf mein Verhalten hast, sage es offen. Wenn sie sachlich berechtigt sind, werde ich mich immer bemühen, sie zu erfüllen.
Mit herzlichem Gruß