\brief{Rudolf Carnap an Hans Reichenbach, 7. Februar 1932}{Februar 1932} %, den 7.Februar 1932. \anrede{Lieber Reichenbach!} \haupttext{In der Ges[ellschaft] f. emp[irische] Phil[osophie]\II{\gesellschaft} werde ich gern einen Vortrag halten. Bei meiner jetzt sehr verschlechterten finanziellen Lage ist aber die Finanzierung dabei das Hauptproblem. Wenn es Ihnen möglich ist, mir noch einen andern gut bezahlten Vortrag zu verschaffen, so wäre ich gern bereit zu kommen. Können Sie vielleicht Liebert\IN{\rjliebert} wegen Kantgesellschaft\II{\kantgesellschaft} fragen? Da könnte ich vielleicht über ,,Scheinprobleme der Philosophie`` (im Sinne meines jetzigen Aufsatzes über Metaphysik\IC{\ueberwindungdermetaphysik}) sprechen. Oder könnten Sie mir einen Rundfunkvortrag verschaffen? Da würde ich etwa sprechen über ,,Logik und Mathematik`` oder ,,Was sind die Zahlen?{}`` wobei ich in populärer Weise erklären würde, daß Logik und Mathematik keine Tatsachen angeben, sondern nur die Umformungen von Sätzen lehren. Falls Sie glauben, daß es Ihnen gelingt, mir noch irgendwo einen Vortrag mit etwa 100 M Pauschalhonorar zu verschaffen, so können Sie in das Programm der G[esellschaft] f. e[mpirische] P[hilosophie]\II{\gesellschaft} schon einen Vortrag von mir aufnehmen. Als \uline{Datum} des Vortrages passt mir aber der 14.\,Juni schlecht, da unser Sommersemester am 18.\,Juni schließt. Vom 20.\,Juni bis 2.\,Juli wäre mir jeder Tag recht. Als \uline{Thema} möchte ich lieber nicht die Metaphysik nehmen, da vermutlich doch viele Mitglieder meinen Aufsatz gelesen haben werden. Ich könnte etwa über ,,Philosophie als Strukturtheorie der Sprache`` sprechen; ich würde hierbei meine Ansicht begründen, daß die Metalogik (auf deren formalen Aufbau ich im Vortrag natürlich verzichten würde) den Rahmen für die sinnvollen philosophischen Probleme bildet. Es wäre mir lieb, wenn es Ihnen gelänge, die zwei Vorträge so zu arrangieren, daß der zeitliche Abstand nicht zu groß ist, höchstens etwa 5 Tage. Wenn diese Sache zustande kommt, werde ich sehr gern auch in Ihrem Kreise diskutieren, besonders über Metalogik. Für die Einladung, bei Ihnen zu wohnen, meinen besten Dank. Vielleicht werde ich von ihr Gebrauch machen, möglicherweise richte ich es aber auch anders ein. Gestern habe ich Ihnen Korrektur ,,Physikalische Sprache``\IC{\physikalischesprache} und Rezension\IC{} Russell\IN{\russell}-Mokre\IN{\mokre} \IW{} geschickt. Das Rez. Ex. habe ich schon vom Verlag bekommen. Besten Dank für Ihren Sonderdruck\IW{}. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen. Ihr Axiomensystem scheint mir sehr gut aufgebaut. Allerdings bleiben mir zwei offene Fragen. Erstens: Da die Wahrscheinlichkeit, wie Sie selbst richtig sagen, eine Beziehung zwischen zwei Sätzen ist, (was Konjunktion, Disjunktion, Implikation nicht sind!) so ist sie ein metalogischer Begriff. Ob es zulässig ist, einen solchen in der ersten Sprache zu symbolisieren, erscheint mir fraglich. (Allerdings hat man bisher \neueseite{} bei einigen andern Begriffen sich Analoges erlaubt.) Wenn ich nach Berlin komme, will ich Ihnen meine Ansicht näher erläutern. Der zweite Punkt ist mein altes Bedenken gegen das Induktionsaxiom; aber das steht ja außerhalb Ihres Axiomensystemes. Wie planen Sie den Inhalt der nächsten Hefte? Mit herzlichem Gruß} \grussformel{Ihr\\ R. Carnap} \ebericht{Brief, msl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/848590}{HR 013-41-42}; Briefkopf: gestempelt \original{Prof. Dr. Rudolf Carnap \,/\, Prag XVII. \,/\, N. Motol, Pod Homolkou}, msl. \original{den 7.\,Februar\,1932}.}