\brief[Carnap an Neurath, \ekll{Prag,} 16.~Januar 1932]% {Rudolf Carnap an Otto Neurath, 16. Januar 1932}{Januar 1932}\labelcn{1932-01-16-Carnap-an-Neurath} \anrede{Lieber Neurath!} \haupttext{Auf unsere ausführlichen Briefe haben wir bis jetzt nur eine Karte aus Moskau bekommen,\fnE{Siehe oben, Brief Nr.~\refcn{1931-11-05-Neurath-an-Carnap}.} würden uns aber sehr über ausführlichere Nachrichten freuen, und noch mehr, wenn Du selber herkämest. Wir haben sogar einen Bettdiwan für Dich, und Franks\IN{\frankphilipp}\IN{\frankphilippfrau} wollen sich mit uns ablösen, um Dich zu beherbergen. Hempel\IN{\hempel} war ein paar Tage hier. Das war sehr nett. Wir haben viel diskutiert, hauptsächlich über Metalogik und über mein vollständig neu geschriebenes MS \glqq Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft\IC{\physikalischesprache}\grqq. Als ich diesen vor 1\textonehalf\ Jahren geschriebenen Aufsatz jetzt für den Druck fertig machen wollte, stellte sich nämlich heraus, daß ich ihn von A bis Z neu schreiben mußte. Ich schicke Dir gleichzeitig einen Durchschlag. Bitte nach Durchlesen bald wieder zurück, da ich keinen andern mehr hierhabe. Du ersiehst aus der jetzigen Fassung, daß die These jetzt schärfer formuliert und genauer begründet ist. Ich glaube, daß die Übereinstimmung zwischen unsern Auffassungen dadurch noch enger geworden ist. Deine energischen und temperamentvollen Äußerungen haben meinen Überlegungen einen sehr wesentlichen Anstoß gegeben, wofür ich Dir sehr dankbar bin. Die Ausarbeitung der Metalogik\IC{\logischesyntax} im Sommer hat mir auch bei der Klärung dieser Fragen sehr geholfen. Ich glaube, daß jetzt durch die Gegenüberstellung der \glqq formalen\grqq\ und der \glqq inhaltlichen\grqq\ Redeweise vielen Lesern die Sache klarer werden wird. Und die Darstellung der mit der inhaltlichen Redeweise verbundenen Gefahr, in Scheinfragen zu geraten, erscheint mir auch wichtig, nicht zuletzt auch für die Leute unseres eigenen Kreises\II{\schlickzirkel}. Es ist mir jetzt ganz klar, daß Du mit Deiner Warnung vor den bei uns üblichen \glqq Erläuterungen\grqq\ recht gehabt hast. Wenn mal wieder der Zirkel\II{\schlickzirkel} existiert und ich mal hinkomme, möchte ich vielleicht über diesen Punkt nochmal gründlich sprechen. Falls Du auf die veränderte Fassung meines Aufsatzes\IC{\physikalischesprache} hin einige Bemerkungen Deines Aufsatzes\IW{\neurathsoziologie},\fnE{Neurath, ,,Soziologie im Physikalismus``.} die sich darauf beziehen, ändern möchtest, so wirst Du Dir sicher von Meiner\II{\meinerverlag}\IN{\meinerfelix} nochmals einen Fahnenabzug Deines Aufsatzes\IW{\neurathsoziologie} schicken lassen können. Er wird nämlich noch nicht zum Umbruch gekommen sein, da mein MS\IC{\physikalischesprache}, das ja in dasselbe Heft soll, jetzt erst zum Druck gelangt ist. In den nächsten Tagen soll das sehr verspätete Heft 4 erscheinen; darin mein Aufsatz über \glqq Metaphysik\grqq.\fnE{Carnap, \glqq Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache\IC{\ueberwindungdermetaphysik}\grqq.} Einige Wochen später soll 5/6 als Doppelheft erscheinen; darin unsere beiden Aufsätze\IC{\physikalischesprache}\IW{\neurathsoziologie}. Meinen dazugehörigen Aufsatz über Psychologie\IC{\psychologiesprache}\fnE{Carnap, ,,Psychologie in physikalischer Sprache``.} will R\editor{eichenbach}\IN{\reichenbach} nun noch auf III/2 oder III/3 verschieben, \glqq damit keine Häufungsstelle entsteht\grqq.\fnE{Hans Reichenbach an Rudolf Carnap, 30.~Dezember 1931, HR 013-41-44.} Das wird also noch \textonehalf\ Jahr dauern. Mein Vortrag in Preßburg\IC{\scheinproblememachverein} ist am 30. März. Nun hat mich der Österreichische Klub\II{\oesterreichischerklub}, Wien, um einen Vortrag\IC{\scheinproblemevortrag} \glqq Scheinprobleme in der Philosophie\grqq\ gebeten. Da er gut zahlt, habe ich zugesagt. \neueseite{}\zzz Da unbedingt Mittwoch gewünscht wurde, mußte ich 23.~März nehmen.\fnEE{Zu diesem Vortrag vgl. TB~23.\,3.\,1932\diaryref{TB-23-3-1932}.} Ich werde dann also wohl eine Woche in Wien sein und hoffe sehr, daß Du nicht gerade über Ostern wegfährst. Mein Stellungskrieg mit den Behörden nähert sich seinem Ende. Am 5.~Januar habe ich die Staatsbürgerschaft bekommen und so wird \glqq demnächst\grqq\ auch die Ernennung rechtskräftig werden. Dir und Deiner Frau\IN{\neuratholga} herzliche Grüße, auch von Ina\IN{\ina}.} \grussformel{Dein\\C.} \ebericht{Brief, Dsl., 2 Seiten, \href{https://doi.org/10.48666/825417}{RC 029-12-70}; Briefkopf: msl. \original{den 16.~Januar 1932}; am Briefende ksl. der Text einer offensichtlich am 25.~Januar von Carnap abgesendeten (nicht erhaltenen) Postkarte, hier nachfolgend (Nr.~\refcn{1932-01-25-Carnap-an-Neurath}) abgedruckt.}