Besten Dank für Brief und BuchB. Bitte schreib aber immer meine richtige Adresse. Das BuchB fand ich (trotz einschreiben) gelegentlich im Institut, den Brief vom 23. bekam ich am 29. hierher.
Für WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann möchte ich sehr gern alles tun, was nur möglich ist. Hier in Prag erscheint es mir aber völlig aussichtslos; ich werde es mit FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank besprechen. Franks AssistentinP muß jeden Tag einen halben Tag in der Bibliothek sein und bekommt dafür monatlich 40 Schilling! Selbst wenn eine Anstellung mit winzigem Gehalt gelänge, würde es mindestens ein Jahr lang dauern. Außerdem müßte er erst die Staatsbürgerschaft erwerben. Ich selbst laufe wegen meiner Formalitäten noch endlos bei den Behörden herum; ich werde froh sein, wenn ich ab Dezember oder Januar Gehalt bekomme, bis dahin nur eine kleine Vertretungsgebühr. Wann mir die gezahlt wird, weiß ich auch noch nicht. Ich habe jetzt an Professor RadermacherPRadermacher, Ludwig, 1867–1952, dt.-öst. Klassischer Philologe, Wien, geschrieben; ich hörte von FrankPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef Frank, daß WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann (oder jemand für ihn) ein Gesuch an die Österreichische WirtschaftshilfeI gerichtet hat, um Bewilligung einer Unterstützung zum Schreiben seines BuchesBWaismann, Friedrich!1976@Logik, Sprache, Philosophie, Stuttgart, 1976.1Seit 1929 immer wieder als Band 1 der Schriften zur wissenschaftlichen Weltauffassung angekündigt, erschien Waismanns im Wesentlichen 1939 fertiggestelltes Buch Logik, Sprache, Philosophie erst posthum. Ursprünglich als Darstellung und Erläuterung des Tractatus konzipiert, veränderte sich der Charakter des Buches im Verlauf der schwierigen Zusammenarbeit mit Wittgenstein erheblich. Zur Entstehungsgeschichte vgl. die Zusammenfassung in Friedl, „The Vienna Circle and Wittgenstein“, 281f., sowie das Nachwort zur posthumen Edition. Ich vermute, daß HahnPHahn, Hans, 1879–1934, öst. Mathematiker, Bruder von Olga Neurath, verh. mit Eleonore Hahn das Gesuch ebenfalls befürwortet hat, vielleicht sogar überhaupt angeregt hat. Sollte das aber nicht der Fall sein, so teile ihm die Sache mit. Wann macht WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann seinen Doktor? Falls mit dem „Hoffnungsschimmer Holland“gemeint ist, daß MengerPMenger, Karl, 1902–1985, öst.-am. Mathematiker, verh. mit Hilda Menger WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann als Assistent für Mathematik nach Amsterdam empfehlen will, will ich gern deswegen an BrouwerPBrouwer, Luitzen E. J., 1881–1966, niederl. Mathematiker schreiben, falls das von MengerPMenger, Karl, 1902–1985, öst.-am. Mathematiker, verh. mit Hilda Menger für zweckmäßig gehalten wird.
Deinen BeitragBNeurath, Otto!1931@„Weltanschauung und Marxismus“, Der Kampf 24, 1931, 447-451 im „KampfIKampf, Zeitschrift“ habe ich mit Vergnügen und voller Zustimmung gelesen. Die Verwandlung der Muskelgefühle in Musegefühle hat wohl der Setzer vorgenommen, dagegen dürfte an der Geschichte von dem Blinden, der taub ist, und dem Tauben, der blind ist, das bekannte Neurathsche Tempo schuld sein. Jetzt wird erst Heft 4 der „ErkenntnisIErkenntnis, Zeitschrift“gedruckt. Unsere AufsätzeB1931@„Die physikalische Sprache als Universalsprache der Wissenschaft“, Erkenntnis 2, 1931, 423–465BNeurath, Otto!1931@„Soziologie im Physikalismus“, Erkenntnis 2, 1931, 393-431 erscheinen ja erst in Heft 6. Beiliegend die von mir geschriebene ChronikB.2Kurzberichte von Vorträgen über „Probleme der Einheitswissenschaft“, veranstaltet vom Verein Ernst Mach gemeinsam mit dem Wiener Volksbildungsverein im Februar/März 1931, Erkenntnis 2, 1931, 310–312.1Vgl. dazu oben, Brief Nr. . Ich hab sie schon zum Druck geschickt, da es höchst eilig war. Von HahnPHahn, Hans, 1879–1934, öst. Mathematiker, Bruder von Olga Neurath, verh. mit Eleonore Hahn und WaismannPWaismann, Friedrich, 1896–1959, öst.-brit. Philosoph, verh. mit Hermine Waismann hatte ich nichts bekommen. Falls einer von Euch wünscht, daß ich bei der Korrektur (kleine!) Änderungen oder Ergänzungen vornehme, soll er mirs schreiben. 🕮
Zu Deiner Reise nach Moskau herzlichen Glückwunsch. Erstens wegen des interessanten Moskau (wir beneiden Dich beide darum), zweitens weil dann hoffentlich wieder einige Deiner großzügigen Pläne ihrer Verwirklichung näherrücken, sodaß Deine Aktivität sich ungehemmt weiter entfalten kann. Wenn die Russen für ihre Encyklopädie einen Mitarbeiter für formale Logik brauchen, so empfiehl mich. Aber wahrscheinlich muß bei denen auch die formale Logik dialektisch gemacht werden.
Wenn Du uns auf der Hin- oder Rückreise besuchen könntest, würden wir uns von Herzen freuen. Am 3. vermutlich ganzen Tag zu Hause, Mittwoch, den 4. ½ 4 – 5 im Naturwissenschaflichen InstitutINaturwissenschaftliches Institut Universität Prag. In der Wohnung leider kein Telefon. Aber TaxisaTaxi sind hier noch billiger als in Wien. Untenstehende Wegbeschreibung schneid ab und verwahre sie für Bedarfsfall (Kartothek unter C).
Am 19. habe ich Antrittsvorlesung gehalten, dabei viele Bonzen samt Gattinnen. Von denen kannte eine aus der Schule her die InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap. Das war unser Debut. Im übrigen kommen wir fast nur mit FranksPFrank, Philipp, 1884–1966, öst.-am. Physiker und Philosoph, verh. mit Hania Frank, Bruder von Josef FrankPFrank, Hania, 1894–1967, geb. Gerson, verh. mit Philipp FrankbHsl. Vervollständigung von Frank. zusammen; mit denen aber trotz der Entfernung häufig und sehr gern. Die Abende bei NeurathsPNeurath, Olga, 1882–1937, geb. Hahn, auch Neuräthin und Peterl, öst. Philosophin und Mathematikerin, verh. mit Otto Neurath, Schwester von Hans Hahn und Louise Fraenkel-Hahn werden dadurch freilich nicht ersetzt. Wir wissen nicht, ob InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap oder ich mehr um Euch trauert. InaPCarnap, Ina (eig. Elisabeth Maria immacul[ata] Ignatia), 1904–1964, geb. Stöger, heiratete 1933 Rudolf Carnap hat ihren BerichtB über meine Antrittsvorlesung mit GicklhornsPGicklhorn, Josef, 1891–1957, tschech.-öst. Biologe Hilfe beim Prager TagblattIPrager Tagblatt angebracht. Darauf hin haben sie mir ihren RedaktionsphilosophenPWeltsch, Felix, 1884–1964, tschech.-israel. Journalist und Philosoph zum Interview geschickt.3Zu diesem Treffen mit Felix Weltsch vgl. TB 25. 10. 1931.2Zu diesem Treffen mit Felix Weltsch vgl. TB 25. 10. 1931; für dessen Artikel siehe unten, Brief Nr. . Ein zusätzlicher Bericht im Prager Tagblatt über Carnaps Antrittsvorlesung konnte nicht eruiert werden. Am 20. habe ich mit den Vorlesungen begonnen, mit spärlichen Hörern.
Wir grüßen Euch alle sehr herzlich!
